Es gibt Asylsuchende, die die Schweiz verlassen müssen, da deren Gesuch definitiv abgelehnt worden ist, und die dennoch partout nicht gehen wollen. Diese Menschen fliegt die Schweiz unter Zwang aus, Sonderflug heisst das im Jargon. Sonderflüge sind das letzte Mittel. 462 Menschen hat die Schweiz vergangenes Jahr auf insgesamt 53 Sonderflügen ausgeschafft. Kostenpunkt: 5000 Franken pro Person. Das zeigen Zahlen, die SRF Investigativ vorliegen. Im ersten Amtsjahr von SP-Justizminister Beat Jans sind damit mehr Menschen per Sonderflug ausgeschafft worden als jemals zuvor – sogar in den 2010er-Jahren waren es höchstens 345 pro Jahr.
32 Sonderflüge nach Kroatien
Die meisten – 351 an der Zahl – dieser ausgeschafften Asylsuchenden sind in Kroatien gelandet. In Kroatien betreten viele Geflüchtete aus der ganzen Welt die EU. Dort müssten sie deshalb um Asyl bitten. Aber statt auf Asyl zu warten, reisen die meisten weiter in den Westen. Länder wie die Schweiz dürfen diese Menschen dann zurückschicken nach Kroatien – gemäss Dublin-Abkommen.
Samuel Wyss vom Staatssekretariat für Migration sagt: «Personen, die nach Kroatien überstellt werden, haben dort Zugang zu einem rechtsstaatlichen Asylverfahren, und die kroatischen Migrationsbehörden stellen die Betreuung der Asylsuchenden und auch die medizinische Versorgung sicher.»
Viele Beobachter und auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte aber halten das kroatische Asylsystem für mangelhaft. Auch Andrea Jelovcic. Die Juristin der kroatischen Hilfsorganisation Centre for Peace Studies kritisiert: «Die Schweiz schafft besonders brutal nach Kroatien aus.» Die Schweiz habe eine Frau ausgeschafft, die zwei Tage zuvor eine Fehlgeburt durchgemacht habe. Sie schaffe Menschen nach Kroatien aus, ohne deren Krankenakte mitzuliefern.
Schwer kranke Kinder kehren zurück
Das Staatssekretariat für Migration bestreitet, besonders brutal auszuschaffen und kommentiert keine Einzelfälle. Es schreibt, es gebe keine rechtlichen Regeln für den Informationsaustausch von Krankenakten. Bei Rückführungen besonders vulnerabler Personen entscheide man aber im Einzelfall aufgrund der medizinischen Berichte.
Auf jeden Fall bleiben viele Ausgeschaffte, besonders Verwundbare, nicht in Kroatien. Andrea Jelovcic vom Centre for Peace Studies fügt hinzu: Neuerdings förderten die kroatischen Behörden Ausreisen sogar, weil sie Rückkehrer am Flughafen nicht mehr registrierten.
Kürzlich ist ein schwer kranker Bub aus Kongo-Kinshasa mit Familie in die Schweiz zurückgekehrt. Die kroatischen Behörden hatten die Schweiz gebeten, das Kind wegen seiner Krankheit zurückzunehmen – das sagt das Staatssekretariat für Migration gegenüber SRF Investigativ. Aus verlässlicher Quelle weiss SRF Investigativ von einem zweiten Fall: Bezma, ein schwer krankes Mädchen, ist mit ihrer Familie wieder in die Schweiz eingereist, nachdem sie nach Kroatien abgeschoben worden waren. Zu diesem Fall äussert sich der Bund nicht.
Ausschaffungen gehen weiter
Es gibt keine Statistik zu Rückkehrern nach Ausschaffungen. Aber: Die Zahl der Mehrfach-Asylgesuche in der Schweiz hat sich in den letzten Jahren fast vervierfacht, lag im Jahr 2024 bei etwa 2500. Und die Schweiz sieht durchaus Verbesserungsbedarf in Kroatien: Der Bund gibt dort gerade 1.2 Millionen Franken aus für die bessere medizinische Versorgung von Asylsuchenden und für deren Kinder. Gleichzeitig, das zeigen aktuelle Zahlen, schafft die Schweiz dieses Jahr wohl ähnlich viele Menschen unter Zwang aus wie letztes Jahr.