Vor etwas über 500 Jahren verabschiedete sich Niklaus von Flüe in die Einsamkeit, wurde Emerit und als Bruder Klaus europaweit bekannt. Um näher bei Gott sein zu können, verliess er eine Grossfamilie mit 10 Kindern. Seine Ehefrau – Dorothee Wyss – bleibt vor allem als die Verlassene in Erinnerung.
Dorothee Wyss war mit grossen Herausforderungen konfrontiert und hat diese gemeistert.
Nun widmet ihr das Museum Bruder Klaus in Sachseln eine Ausstellung. Ziel sei es, die Vielschichtigkeit der Dorothee Wyss aufzuzeigen, sagt Kuratorin Carmen Kiser. «Der Moment des Verlassen-Werdens ist nur ein kleiner Teil in ihrem Leben. Bis heute wird er klischiert und zugespitzt dargestellt», sagt sie.
Frau mit Vorbild-Charakter?
Dorothee Wyss habe sich ihrem Schicksal nicht so passiv ergeben, wie oft angenommen wird. «Sie musste Niklaus von Flüe den Segen geben, dass er die Familie verlassen darf. Ohne Zwang. Nur so war das kirchenrechtlich in Ordnung.» Dorothee Wyss sei kein Opfer vom Egoismus ihres Mannes gewesen, sagt die Kuratorin.
Im Gegenteil: Dass sie danach den Bauernhof alleine weiterführte und für die 10 Kinder schaute, mache sie auch nach heutigen Massstäben zu einer starken Persönlichkeit. «Sie war mit grossen Herausforderungen konfrontiert und hat diese gemeistert», so Carmen Kiser. Dorothee Wyss habe durchaus Vorbild-Charakter.
«Passt nicht ins Bild der emanzipierten Frau»
Historikerin Annalena Müller pflichtet bei, dass Dorothee Wyss sicher einen starken Charakter hatte. «Wie auch die meisten anderen Frauen dieser Zeit. Das war ein hartes Leben auf einem mittelalterlichen Bauernhof.»
Müller meint aber auch, sie wage es zu bezweifeln, dass Dorothee Wyss als Vorbild für heutige Frauen tauge. «Letztendlich war sie selbstlos und nahm sich komplett zurück, damit sich ihr Mann verwirklichen konnte. Das passt nicht ins Bild der modernen emanzipierten Frau.»
«Historische Figuren müssen keine Vorbilder sein»
Im Mittelalter hingegen sei sie sicherlich ein Vorbild gewesen. «Dorothee Wyss hat ihren Mann vorbehaltlos unterstützt. Weil sie an seine Heiligkeit glaubte und davon überzeugt war, dass er die Familie verlassen müsse.»
Vielleicht sei es auch gar nicht nötig, historische Figuren stets als Vorbilder deuten zu wollen, fügt die Historikerin noch an. «Frauen wie Dorothee Wyss sind wichtige Repräsentantinnen ihrer Zeit – und das ist doch für sich alleine schon interessant.»