Seit Montag sind sie eingeschaltet, die Bussen-Kameras auf Birsfelder Gemeindestrassen. Wer einem Stau auf der Hauptachse ausweicht und durch Quartiere fährt, muss neu 100 Franken bezahlen. Die Fahrzeugnummern werden automatisch mit einer Liste der Anwohnerschaft und anderer Berechtigter abgeglichen.
Wer nicht darauf steht und innert weniger als 15 Minuten die Gemeindestrassen wieder verlässt, bekommt einen Bussenzettel zugeschickt. In dieser flächendeckenden Form ist das System laut der Gemeinde eine Schweizer Premiere.
Birsfelden mit seinen gut 10'500 Einwohnerinnen und Einwohnern leidet darunter, dass die Autobahn A2 vor Basel sehr oft verstopft ist. Dann staut sich der Ausweichverkehr nicht nur auf den Hauptstrassen der Gemeinden, sondern sucht Schleichwege auch via Wohnquartiere.
Zwar hatte Birsfelden schon bisher die Durchfahrt wochentags am Feierabend untersagt, doch die Verbotsschilder haben zu wenig genützt, und die Durchsetzung war enorm aufwendig.
Das neue automatische System soll effizient und einfach sein. Das Durchfahrtsverbot gilt jeden Tag und rund um die Uhr; es tangiert aber zum Beispiel Besuche oder Einkäufe im Dorf nicht, dank der Viertelstunde Zeitlimite.
Die Kameras erfassen laut Gemeinderätin Désirée Jaun nur die Autonummern, keine Gesichter. Anregungen der kantonalen Datenschutzfachstelle hätten sie umgesetzt.
Das Birsfelder System stösst auch andernorts auf Interesse: Die Nachbargemeinde Muttenz auf der anderen Seite der A2 hat schon vor Monaten angekündigt zu prüfen, ob es auch auf ihren Gemeindestrassen nützlich sein könnte.
Und auf der anderen Seite der Birs hat die Basler Regierung eine Frage aus dem Parlament auf dem Tisch, ob Fahrverbote samt Bussen-Kameras auch für von Ausweichverkehr betroffene Basler Strassen ein brauchbarer Ansatz wären. Bereits aufgegleist ist ein ähnliches System in Cham ZG; gelten soll es dort nach der Inbetriebnahme einer noch zu bauenden Umfahrungsstrasse, voraussichtlich 2027.
Dass das Modell den gewünschten Effekt gegen Ausweichverkehr haben kann, hält Alex Erath, Professor für Verkehr und Mobilität an der Fachhochschule Nordwestschweiz FHNW, für realistisch. Jedenfalls sei die Busse mit 100 Franken hoch genug.
Regelung speziell für Navigationssysteme
Erath sieht jedoch auch Tücken: Zum einen sei offen, wie lange es dauere, bis das System in den Köpfen sei. Zum anderen sei das Konzept mit Nummernschild, Wohnort und Zeitlimite speziell, und «dafür gibt es bisher noch gar kein Datenformat», das ohne weiteres in die gängigen Navigationssysteme importierbar sei.
Am ersten Tag jedenfalls habe er das Verbot auf Google Maps noch nicht gesehen. Da seien die Gemeinde und das Astra gefordert, welches die Daten für die ganze Schweiz sammelt und für Navi-Anbieter bereitstellt.
Am ersten Tag mit den Bussen-Kameras ist am Strassenrand in Birsfelden Lob zu hören: «Ich habe grosse Hoffnungen, dass das etwas bringt», sagt ein Passant. Auch wenn der Verkehr so nur verlagert werde, «hat wenigstens die Kasse von Birsfelden etwas davon».
Eine Frau nennt den Schleichverkehr «unerträglich». Sie bezweifelt, dass die Kontrolle gut funktioniere. Und ein Mann befürchtet, dass es wenig bringe: Wenn die Leute 15 Minuten im Quartier im Stau stünden, gebe es ja auch keine Busse.