Im Kampf gegen den Fachkräftemangel geht das Pflegeheim Reusspark im aargauischen Niederwil neue Wege. In einem aufwändigen Verfahren hat sich das grösste Aargauer Heim vom US-Unternehmen «Great Place To Work» für seine Arbeitsplatzkultur zertifizieren lassen. Die Auszeichnung soll helfen, diplomierte Pflegefachkräfte zu rekrutieren.
Wir wollen Werbung machen, etwas Sinnstiftendes zu lernen.
«Im Pflegebereich kann man das Personal nicht mit dem Lohn anlocken», sagt Heim-Direktor Thomas Peterhans. Pflegefachleute verdienen aufgrund der gegenwärtigen Tarifstruktur wenig, für höhere Löhne müssten die Gemeinden aufkommen. Peterhans ist aber der Meinung, dass für die Personalrekrutiereung der Lohn alleine nicht ausschlaggebend sei. Weiche Faktoren wie eine gute Arbeitsplatzkultur würden auch helfen.
Peterhans geht es derweil nicht nur um sein eigenes Pflegeheim im aargauischen Niederwil, sondern in erster Linie um das Image der Branche im Allgemeinen. Man wolle Werbung machen bei den jungen Menschen, etwas Sinnstiftendes zu lernen. «Mehr junge Menschen sollen sich für den Pflegeberuf entscheiden.»
Der Pflegeheim-Direktor hofft, dass sich andere Häuser ebenfalls um das Zertifikat bewerben. Allerdings sei es ein langer Weg bis zur Auszeichnung, die Firmenkultur müsse über Jahre aufgebaut werden.
Doch ist ein Zertifikat für die Arbeitsplatzkultur ein geeignetes Mittel, um den Fachkräftemangel in der Pflegebranche zu bekämpfen? Das bezweifelt Erik Grossenbacher, Leiter der Geschäftsstelle Aargau Solothurn beim Schweizer Berufsverband der Pflegefachpersonen. Er begrüsse die Bestrebungen des Reussparks, ein attraktiver Arbeitgeber zu sein. Aber: «Das Argument, dass der Lohn weniger wichtig ist, kann ich nicht gelten lassen.»
Die Löhne müssen höher sein, mit Geld bezahlt man seine Rechnungen.
Von der Pflege werde viel Flexibilität verlangt, die Arbeitszeiten seien sehr unregelmässig, die Arbeit brauche viel Energie. «Das soll richtig entlöhnt werden», verlangt Grossenbacher. Einerseits seien die Einstiegslöhne in der Branche zu tief, andererseits gebe es kaum Lohnerhöhungen. Lange Zeit habe das Pflegepersonal dies hingenommen, nun finde ein Wandel statt. «Die Leute fangen an, sich damit auseinanderzusetzen und bei Vorstellungsgesprächen mehr zu fordern.»
Auch Erik Grossenbacher warnt vor dem zunehmenden Fachkräftemangel in der Pflegebranche. Derzeit würden nur 43 Prozent des benötigten Personals in der Pflege ausgebildet. Erschwerend komme hinzu, dass viele ausgebildete Fachkräfte später den Beruf wechselten. «Bis ins Jahr 2030 fehlen schweizweit rund 65'000 Pflegefachpersonen. Und wenn es nur halb so viele sind, sind es immer noch viel zu wenig. »