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Darum gibt es in der Schweiz im Moment so viele Badeunfälle
Aus SRF 4 News aktuell vom 20.06.2022. Bild: Keystone
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Badeunfälle in der Schweiz «Die meisten Ertrinkungsunfälle geschehen in Flüssen und Seen»

Am Wochenende haben die Menschen in der Schweiz die Freibäder gestürmt und belagert, auch See- und Flussufer waren voll. Leider blieb es nicht immer beim schönen Schwumm. Mindestens sieben Menschen sind in Schweizer Flüssen und Seen in den letzten Tagen ertrunken. Das melden die Polizeidienststellen. Warum kommt es zu diesen Ertrinkungsunfällen? Und wie sieht die Unfallprävention aus? Das beantwortet Reto Abächerli. Er ist Geschäftsführer der Schweizerischen Lebensrettungs-Gesellschaft SLRG.

Reto Abächerli

Reto Abächerli

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Abächerli ist Geschäftsführer der Schweizerischen Lebensrettungs-Gesellschaft SLRG.

SRF News: Warum sind in den letzten Tagen so viele Menschen ertrunken?

Reto Abächerli: Es ist eine Mischung zwischen dem Wetter; viel mehr Leute sind rund ums Gewässer. Es ist dann eine Frage der Wahrscheinlichkeit, dass leider auch Unfälle geschehen. Und daneben sind diese hohen Temperaturunterschiede zwischen Aussentemperatur und Wassertemperatur.

Welche Rolle spielt Corona bei den Badeunfällen? Während der Pandemie waren viele Schwimmbäder nicht geöffnet. Haben die Leute Nachholbedarf?

Ich glaube kaum, dass es eine Rolle spielt, dass viele Leute wegen Corona letztes Jahr keinen Schwimmunterricht geniessen durften; und jetzt gehen sie wieder ins Wasser und haben Kompetenzen verlernt. Das ist wie Fahrrad fahren. Es ist viel Wissen über die Gefahren da. Auch die Selbsteinschätzung hat sich in diesen ein oder zwei Jahren nicht wesentlich geändert.

Schwimmkurse wurden abgesagt. In Schulen ist der Schwimmunterricht ausgefallen. Machen die Schulen genug, damit Kinder auch wirklich schwimmen können?

Wir haben Kontakte mit den Kantonen, einzelnen Lehrpersonen und einzelnen Schulleitungen. Die zeigen mir, dass das Bewusstsein für das Thema und auch der Wille da sind. Ich glaube, nach bestem Wissen und Gewissen wird sehr viel gemacht. Das heisst nicht, dass es nicht Potenzial gibt.

Nicht alle Gemeinden setzen die Vorgaben bezüglich Schwimm- und Wassersicherheit um.
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Wir wissen auch, dass längst nicht in allen Gemeinden sämtliche Vorgaben des Lehrplans 21 bezogen auf Schwimm- und Wassersicherheit umgesetzt werden. Aber es bringt auch nicht wahnsinnig viel, fordernd aufzutreten. Wir müssen das im Dialog machen. Es ist eine partnerschaftliche Aufgabe. Wir wollen mitwirken und unterstützen.

Es fehlt an verschiedenen Schulen an Infrastrukturen. Auf politischer Ebene in der Schweiz sind Schwimmen und das Retten von Leben im Wasser quasi kein Thema. Ist dies der Politik zu wenig wichtig?

Ich glaube nicht, dass wir per se zu wenig Schwimm- oder Wasserfläche haben, auch gedeckte Wasserfläche im Pool. Es ist wichtig, dass man die bestehende Wasserfläche unterhält und dass sie bleibt. Auch erscheint uns wichtig, dass andere Lernorte erschlossen werden. Beispielsweise eine sichere Umgebung am See. Die Lehrpersonen sollten mit den Schülerinnen und Schülern dorthin gehen. Das wäre für die Ertrinkungsprävention sehr wertvoll. Denn die meisten der tödlichen Ertrinkungsunfälle – weit über 90 Prozent – geschehen in Flüssen und Seen – und nicht in Pools.

Ein Mann übt die Reanimation bei einer Puppe.
Legende: Im Vergleich mit dem Ausland habe die schweizerische Politik schon einiges getan, sagt Abächerli. «Diese Verankerung des Wasserssicherheitsthemas, Ertrinkungsprävention und Selbstrettungskompetenzen im Lehrplan sind weltweit fast einzigartig. Und wir haben auch eine sehr tiefe Ertrinkungsrate in der Schweiz.» imago images

Ihre Zahlen gehen davon aus, dass jährlich 50 Personen ertrinken. Müsste man zu kreativeren Lösungen greifen? Zum Beispiel noch mehr Bademeisterinnen oder Personen des Zivilschutzes an neuralgischen Punkten wie zum Beispiel an Ufern?

Ich zweifle an der Umsetzung und der Wirksamkeit daran. Die Leute in der Schweiz bewegen sich sehr viel an Seen und Gewässern. Es ist fast unmöglich, überall mit Aufsicht zu arbeiten. Abgesehen davon muss man immer auch zuerst realisieren, dass jemand in Not ist. Das ist eine sehr anspruchsvolle Aufgabe.

Das Gespräch führte Yves Kilchör.

«Es lassen sich nicht alle Unfälle verhindern»

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Die Regeln im Umgang mit Gewässern kommen offenbar nicht bei allen an. Macht die Schweizerische Lebensrettungsgesellschaft das Richtige? «Das ist die zentrale Frage, die wir uns natürlich ständig stellen», sagt Reto Abächerli. «Wie können Massnahmen ergriffen werden? Und welche Massnahmen sind möglichst wirksam? Wir möchten die verfügbaren Mittel, die auch andere Akteure in der Schweiz in die Ertrinkungsprävention investieren, möglichst effektiv investieren.»

Daher probieren sie ständig neue Dinge, im In- und Ausland. «Wir evaluieren neue Ansätze und versuchen diese umzusetzen. Persönlich glaube ich, wir werden nie viel tiefer kommen als diese Anzahl tödlicher Ertrinkungsunfälle. Es lassen sich leider einfach nicht alle Unfälle verhindern.»

Mit den Klimaveränderungen wird es heisser. «Es gibt mehr Risikoexpositionen, mehr Menschen am Wasser. Und auch der Anteil von Personen, die die Schweizer Gewässer nicht so kennen, steigt. Eine Herausforderung wird sein, das gute Mass an Unfall- und Ertrinkungsprävention halten zu können.»

SRF 4 News, 20.06.2022, 06:04 Uhr;

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