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Bahnareale als Wohnraumreserve «Oben wohnen, unten pendeln» – auch in der Schweiz?

Geleise überdachen und darüber bauen: Ein Ständerat fordert vom Bundesrat, das zu prüfen, um neuen Wohnraum zu schaffen.

«Oben wohnen, unten pendeln» – von diesem Motto haben sich Architektinnen und Ingenieure bereits in Schweden, Frankreich und den USA inspirieren lassen. In New York wächst mit den «Hudson Yards» ein neuer Stadtteil in den Himmel – über der Bahn sollen die Menschen arbeiten, wohnen und shoppen können. In Paris überdecken Wohnblöcke sowie ein Park die Gare Montparnasse. Aus dem Bahnhof Stockholm soll in einigen Jahren ein bewohnbares Verkehrsdrehkreuz werden.

Ob sich die Schweiz für solche Vorhaben eignet, will der Urner FDP-Ständerat Josef Dittli abklären lassen. Der Bundesrat soll prüfen, «ob und wie Raumreserven über Gleisfeldern in städtischen Zentrumslagen erschlossen werden können» und beantworten, welche Konzepte nötig sind, um solche Flächen «sinnvoll und nachhaltig zu nutzen».

Politischer Widerstand, unsichere Investoren

Dittli sieht Potenzial «von Zehntausenden Wohnungen und mehr». Die Stadtzürcher Freisinnigen rechnen gar mit Platz für 150'000 Personen, würde man die Geleise im Bereich des Hauptbahnhofs überdachen. In ihrem Vorstoss ist sinnigerweise von «Eurogate» die Rede – ein Projekt, das wie «HB Südwest» nie zustande kam.

Verschiedene Züge auf einem stark befahrenen Bahnhofsgleis.
Legende: Platz über den Geleisen hätte es am Hauptbahnhof in Zürich genug. KEYSTONE / Gaetan Bally

Die Pläne aus den 1980er- und 90er-Jahren scheiterten aus mehreren Gründen: Investoren zweifelten an der Rentabilität und stiegen aus. Politischer Widerstand, juristische Querelen und Auflagen des Denkmalschutzes trugen dazu bei, dass Entwürfe und Modelle in der Versenkung verschwanden. Stattdessen wurde erst 2020 die «Europa-Allee» mit rund 400 Eigentums- und Mietwohnungen, Hotel, Büros und Bildungseinrichtungen fertig

Bauen über Geleisen sei komplex, aufwändig und sehr teuer, sagt Architekt Philipp Esch. Er hat Wohnungen beim Zürcher Hauptbahnhof gebaut und sieht mehr Risiken als Chancen. «Man muss Lärm, Erschütterungen und elektromagnetische Emissionen der Lokomotiven in den Griff kriegen. Ausserdem gilt es, enorme Sicherheitsauflagen bei hoher Verkehrsdichte einzuhalten.»

Helvetischer Pragmatismus statt Höhenflüge

Investoren zu finden, sei enorm schwierig, erklärt Esch. Kosten und Nutzen stünden in keinem Verhältnis. Nur schon die Masse an Material, die für das Abdecken der Gleisfelder nötig sei, illustriere, dass dies keine nachhaltige Lösung sei, um den Stadtraum zu verdichten. Philipp Esch rät Zürich, sich besser auf bereits bestehende Zonen, wo eine Verdichtung vorgesehen sei, zu konzentrieren.

Eschs Kritik kann Ständerat Dittli nur bedingt verstehen. Er will mit seinem Postulat die Rahmenbedingungen «klären, was dies raumplanerisch, rechtlich bedeutet.»

Spektakulär oder pragmatisch?

Mit spektakulären Visionen tut sich die Schweiz schwer. Stattdessen ist Pragmatismus angesagt. Schliesslich sollen sich die Investitionen auszahlen. «Bauen darf den laufenden und sicheren Bahnbetrieb nicht beeinflussen. Das wirkt sich auf die Wirtschaftlichkeit, die Mietpreise aus», sagt SBB-Sprecher Moritz Weisskopf.

Deshalb will die SBB prioritär Brachen neben den Schienen erschliessen. Rund 200 Millionen Franken investiert sie in «Volta» in Basel. Das Projekt liegt an der Linie nach Mulhouse im Norden der Stadt. Es umfasst Wohnungen für ungefähr 2000 Personen und gegen 2500 Arbeitsplätze. Einzugstermin ist der Herbst 2027 – mit Blick auf die Züge, notabene.

Um die aktuelle Wohnungsnot zu lindern, haben also finanziell und technisch realistische Vorhaben bessere Karten als kühne architektonische Würfe.

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10 vor 10, 25.09.2025, 21:50 Uhr

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