Zum Inhalt springen

Bank finanziert Klassenlager Kanton Bern lässt Schullager von Firmen sponsern

Immer mehr Gemeinden streichen ihr Geld für Schullager. Im Kanton Bern springt die Wirtschaft in die Bresche. Darf sie das?

Quatschen bis tief in die Nacht, Essenspakete auspacken, in der Disco tanzen. Klassenlager bleiben Kindern und Jugendlichen lange in Erinnerung. Eigentlich bezahlen die Gemeinden solche Landschulwochen. Viele können sich diese aber nicht mehr leisten. Aus finanziellen Gründen – nicht zuletzt auch wegen Corona – sparen sie die Schullager weg.

Gemeinden sparen Lager weg

Box aufklappen Box zuklappen

Zweimal pro Jahr eine Landschulwoche für alle Schülerinnen und Schüler bis in die sechste Klasse: Das war im Pestalozzi-Schulhaus in der Stadt Bern jahrelang keine Diskussion. Bis sie gemerkt hätten, dass sie dafür zu wenig Geld von der Gemeinde erhalten würden, sagt Schulleiterin Diana Bütikofer. «Wir mussten die Notbremse ziehen.» Seither dürfen nur die fünft- und sechst-Klässler ins Lager.

Wie viel Geld eine Schule für ein Lager zur Verfügung hat, hängt von der Gemeinde ab, denn diese gibt den Schulen das Geld dafür. Einfach die Beiträge der Eltern zu erhöhen ist nicht möglich. Wie viel die Schulen den Eltern in Rechnung stellen dürfen, ist nämlich klar geregelt.

Gemeinden mit weniger Geld würden oft versuchen, den Kindern mit einzelnen Tagesausflügen doch etwas bieten zu können, sagt Andreas Hachen vom Verband der Schulleiterinnen und Schulleiter des Kantons Bern. «Das Problem gab es früher auch schon, hat sich nun aber zugespitzt.»

Klassenlager seien aber pädagogisch wertvoll und würden viel für den Klassenzusammenhalt bringen, sagt die bernische Bildungsdirektorin Christine Häsler. Auch die Lehrpersonen könnten dabei die Kinder während einer Woche ausserhalb der Schule begleiten und fördern.

Skilager
Legende: Sommer- oder Winterlager – gewisse Klassen gehen mehrmals pro Jahr ins Lager. Keystone

Der Kanton Bern ist zwar finanziell auch nicht auf Rosen gebettet, doch das ist nicht der Grund dafür, dass auch er sich nicht an den Lagerkosten beteiligt. Er darf es von Gesetzes wegen schlicht nicht tun. Deshalb hat die Bildungsdirektion ein Pilotprojekt entwickelt, bei dem Geld gesammelt und verteilt wird: «Dieses zusätzliche Angebot soll die Gemeinden und Schulen unterstützen, noch mehr Lager zu machen oder ihre Lager zumindest durchführen zu können», sagt die Bildungsdirektorin.

Statt die Behörden zahlt die Wirtschaft

Die Mittel dazu kommen von Geldgebern aus der Privatwirtschaft, quasi ein Sponsoring. Diese zahlen insgesamt 440'000 Franken für zwei Jahre in diese neue Kasse. Am meisten bezahlt die Berner Kantonalbank – von ihr gibt es jedes Jahr 100'000 Franken. «Uns ist ganz wichtig, dass alle Kinder die Möglichkeit haben, ein solches Klassenlager besuchen zu können», sagt Antoinette Hunziker-Ebneter, Verwaltungsratspräsidentin der BEKB.

Nicht das erste Projekt, das die Wirtschaft sponsert

Box aufklappen Box zuklappen

Bereits vor rund zwei Wochen wurde bekannt, dass der Berner Energiekonzern BKW ein Angebot des Kantons Bern finanziert. Das sogenannte Mint-Mobil, mit dem der Kanton Bern vor allem Mädchen mehr für die Mint-Fächer Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik interessieren will. Im nächsten halben Jahr ist deshalb ein mobiles Zelt unterwegs.

Neben der BKW hilft auch Energie Wasser Bern, die Insel Gruppe und Huawei Schweiz bei der Finanzierung.

Wenn es um Sponsorings geht, ist Diana Bütikofer, Schulleiterin des Pestalozzi-Schulhauses Stadt Bern aber skeptisch. Alle müssten dieselben Chancen haben: «Nicht, dass gewisse Klassen ein Sponsoring hinbringen und andere nicht.»

Lageressen
Legende: «Spaghetti mit Tomatensauce sehe ich immer noch vor mir», erinnert sich Verwaltungsratspräsidentin der BEKB, Antoinette Hunziker-Ebneter zurück an ihre Lagerzeit. Keystone

Auch Andreas Hachen vom Verband der Schulleiterinnen des Kantons Bern findet, man müsse sich dabei an Regeln halten. «Wir haben als öffentliche Schule eine besondere Verantwortung gegenüber den Schülern und Eltern.» Das Sponsoring müsse transparent sein und es brauche eine Vereinbarung, so Hachen. So wie der Kanton Bern dies aber plane, sei es nicht problematisch, im Gegenteil: «Das hilft uns, denn es wird immer schwieriger, Geld aufzutreiben.»

Bank finanziert Lager über ihren Förderfonds

Box aufklappen Box zuklappen

Das Geld der BEKB kommt nicht direkt aus der Bank selbst, sondern aus ihrem eigenen Förderfonds, der in der Region Bern und Solothurn Institutionen und Projekte in den Kategorien Kultur, Sport und Freizeit, Ökologie, Bildung sowie Gesundheit/Soziales unterstützt, die nicht rein kommerziell ausgerichtet sind.

Keine Werbung bei Kindern

Die Firmen, die Geld geben, hätten keinen Einfluss auf die Inhalte des Lagers, betont Tanja Bauer, Co-Präsidentin des Vereins Chindernetz Bern. Der Nachfolgeverein von Pro Juventute übernimmt die Koordination und Verteilung der Gelder, hat auch bei der Entwicklung des Projektes mitgearbeitet.

Das Geld ist an klare Kriterien geknüpft, die vorgängig abgemacht werden.
Autor: Tanja Bauer Co-Präsidentin Verein Chindernetz Bern

Von einem Sponsoring will sie nicht sprechen. Die Kinder im Lager würden nicht mitbekommen, dass da eine Bank mitzahle: «Bei den Kindern darf man weder werben noch Artikel mitgeben, noch darf das Logo auf den Unterlagen, die zur Familie nach Hause gehen, vorkommen», so Bauer. Das Geld der Firmen sei an klare, vorgängig abgemachte Kriterien geknüpft. So muss das Lager die pädagogischen Kriterien des Lehrplans 21 erfüllen und mindestens ein UNO-Nachhaltigkeitsziel vertiefen.

Eine Klasse mit 20 Kindern erhält für fünf Tage maximal 900 Franken, was nicht für ein ganzes Lager reiche, so Bauer. Das sei aber auch nicht die Idee. «Man soll sich damit nicht zurücklehnen können. Es soll den Aufwand für Lehrpersonen und Eltern senken.» Und es soll verhindern, dass allenfalls noch mehr Schullager einfach abgesagt werden.

Regionaljournal Bern Freiburg Wallis, 03.06.2021, 12:03 Uhr ; 

Meistgelesene Artikel