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Thomas Gassers unterirdisches Reich
Aus Regionaljournal Zentralschweiz vom 07.07.2021. Bild: SRF
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Bauen unter der Erde Sie nennen ihn Steinfresser

Der Obwaldner Thomas Gasser baut am liebsten im Untergrund. Damit betritt wortwörtliches und juristisches Neuland.

Thomas Gasser macht soliden Felsen zu Schutt. Das ist sein Job. Wie viele Kubikmeter Geröll er und seine rund 300 Mitarbeitenden bereits aus Bergflanken herausgesprengt haben, ist unmöglich zu sagen. Es sind einige, so viel ist klar: Das blaue Logo des Familienunternehmens Gasser Felstechnik AG, deren Leitung er mittlerweile abgegeben hat, sieht man fast überall da, wo es Arbeiten an, um und in Felswänden zu verrichten gibt. Sei es etwa, um eine Strasse vor Steinschlägen zu schützen oder um Platz für Wohnbauten zu schaffen.

Bauarbeiter in Felswand
Legende: Mitarbeitende der Gasser Felstechnik AG bei Sicherungsarbeiten in Werthenstein im Kanton Luzern. SRF

Thomas Gasser sprengt aber auch privat gerne Löcher in den Berg. Neben dem Sitz der Firma in Lungern hat er vor gut 20 Jahren ein künstliches Höhlensystem gebaut, in dem rund 300 Einfamilienhäuser Platz hätten. Es ist eine eigentliche Freizeitanlage mit unterirdischem Restaurant und einem Schiess-Stand. Wegen Gassers Faszination für unterirdische Bauarbeiten und fürs Sprengen nannten sie ihn in seinem Heimatkanton Obwalden auch schon «Steinfresser» oder «Steigrind».

«Das Bauen im Untergrund hat Vorteile»

Dem Unternehmer geht es aber um mehr, als einfach darum, Steine durch die Luft zu schleudern. Er sieht im unterirdischen Bauen grosses Potenzial, das über militärische Bunker und Strassentunnels hinausreicht. Die unterirdische Anlage mit Restaurant und Schiess-Stand habe gegenüber ähnlichen Bauten über der Erde gewichtige Vorteile: «Das ganze System kostete und kostet noch immer vergleichsweise wenig. So haben wir wegen der konstanten Temperatur im Felsen beispielsweise geringe Heizkosten», sagt Gasser. Und: «Trotz des immensen Bauvolumens hatten wir keine einzige Einsprache, und auch Umweltverbände wehrten sich keine.» So leicht haben es die wenigsten Bauvorhaben in der Schweiz.

Und trotzdem: Einfach durch die Instanzen hindurchspazieren konnte Gasser mit seinem Projekt nicht. In erster Linie gab es gesetzliche Hürden: Dass Private ganze Höhlensysteme bauen, das kannte man vor der Freizeitanlage in Lungern nicht wirklich. Solche Vorhaben waren dem Staat vorbehalten.

Schwammiges Gesetz

«Wir betraten quasi juristisches Neuland», erinnert sich Gasser, «es gab keine klaren Rechtsgrundlagen.» Also setzte sich Gasser mit Spezialisten des Kantons und des Eidgenössischen Grundbuchamts zusammen, um nach einer Lösung zu suchen. Jetzt ist es so geregelt, dass er der Landbesitzerin des Obergrunds einen Zins bezahlt, um den Untergrund im Baurecht nutzen zu können. Gasser: «Die verwendeten Flächen sind auch in einer Bauzone – halt einfach unterirdisch.»

Das sagt das ZGB

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Auf Bundesebene ist das Recht, im Untergrund zu bauen, sehr allgemein gehalten. Abschnitt 1, des 667. Artikels des Zivilgesetzbuches:

«Das Eigentum an Grund und Boden erstreckt sich nach oben und unten auf den Luftraum und das Erdreich, soweit für die Ausübung des Eigentums ein Interesse besteht.»

Das Interesse der Eigentümerschaft muss dabei schutzwürdig sein. Ob dies zutrifft, wird im Einzelfall bestimmt.

Das Gesetz bleibt bezüglich unterirdischer Bauten bis heute schwammig, bestätigt Timon Richiger vom Bundesamt für Raumentwicklung. «Das Zivilgesetzbuch regelt es so: Das Eigentum des Grundstückbesitzers an der Oberfläche reicht so weit in den Boden, wie er ein schutzwürdiges Interesse hat.» Das sei bei Kellern und auch Erdwärmesonden relativ eindeutig, alles andere müsse man genauer anschauen. Denn: «Weiter unten gehört der Untergrund dem Kanton, er kann die Nutzungsrechte jedoch per Konzessionen vergeben», so Richiger.

Die Details sind dann in föderalistischer Manier in jedem Kanton anders geregelt. Die Lösung von Obwalden mit den unterirdischen Bauzonen gefällt dem Experten des Bundes besonders gut. «Das ist ein Beispiel, wie es denkbar und sinnvoll ist», sagt Richiger. Grundsätzlich geht er, wie auch Thomas Gasser, davon aus, dass die Nutzung des Untergrunds künftig noch wichtiger wird. Gassers Fazit: «Die Ressourcen an der Oberfläche sind begrenzt. Unter der Erde hat’s noch Platz.»

SRF 1, Regionaljournal Zentralschweiz, 12.07.2021, 17:30 Uhr

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