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Bedenklicher Trend Tendenz klar steigend: Basler Rentnerinnen am finanziellen Limit

Die Zahl der Bezüger von Ergänzungsleistungen steigt in Basel-Stadt deutlich an. Betroffen sind vor allem Frauen.

Die Zahlen sind eindrücklich: Ende 2019 bezogen in Basel-Stadt über 7'500 Personen Ergänzungsleistungen zur AHV, 30 Prozent mehr als noch 2010 und dies, obwohl die Zahl der AHV-Rentner im gleichen Zeitraum stabil geblieben ist, wie dem aktuellsten Sozialhilfebericht des Kantons zu entnehmen ist. Und: Der grösste Teil – nämlich zwei Drittel – sind Frauen.

Eine von ihnen ist die 80-jährige Annemarie Fischer, die nach eigenen Worten bis anhin ein bewegtes und interessantes Leben hatte. «Ich ging immer einen speziellen Weg», erzählt Fischer. Geld sei in ihrem Leben nie im Vordergrund gestanden, sondern das Soziale. Geld verdiente Fischer zuerst als Perückenmacherin. Später gründete sie zusammen mit ihrem Mann ein Projekt für drogenabhängige Jugendliche. Lohn habe sie sich in dieser Zeit keinen ausbezahlt.

Heute lebt Annemarie Fischer von der AHV in der Höhe von 1760 Franken. Weil dies zum Leben nicht reicht, erhält sie noch Ergänzungsleistungen von 1200 Franken vom Kanton. «Es gibt Monate, da bleibt kaum etwas übrig und Monate, in denen es etwas besser läuft.»

Es gibt Monate, da bleibt kaum etwas übrig.
Autor: Annemarie Fischer EL-Bezügerin

Die Gründe, weshalb jemand Ergänzungsleistungen bezieht, lägen häufig in der Biografie der Frauen, erklärt Martin Matter von der Altersorganisation Graue Panther. Häufig zahlten Frauen im Erwerbsalter weniger in der AHV oder Pensionskasse ein, weil sie Kinder betreut oder betagte Eltern gepflegt hätten.

«Man sieht, dass Armut zum Teil weiblich ist. Sehr viele alleinerziehende Mütter sind betroffen und sehr viele ältere Frauen, die in ihrem Leben nie oder fast nie berufstätig waren», sagt Matter.

Betroffen sind sehr viele alleinerziehende Mütter.
Autor: Martin Matter Graue Panther

Auch bei der Organisation Pro Senectute spürt man die Zunahme der Altersarmut bei Frauen. So habe die Zahl der Beratungsgespräche mit Frauen, die finanzielle Probleme haben, in den letzten Jahren jedes Jahr um zehn Prozent zugenommen, sagt Michael Hensel, Leiter der Sozialberatung bei der Pro Senectute beider Basel.

Vielseitige Gründe

Ein Grund, weshalb immer mehr Frauen Ergänzungsleistungen beziehen, obwohl die Zahl der AHV-Bezügerinnen in den letzten Jahren gleichgeblieben ist, sieht Martin Matter von den Grauen Panthern in den gestiegenen Lebenskosten. Während der Lebensunterhalt immer teurer geworden ist, sind die Renten nicht gestiegen.

Matter vermutet aber noch einen anderen Grund: «Ich glaube, es ist auch eine Generationenfrage. Die jüngeren Generationen, die nun ins AHV-Alter kommen, nehmen ihre Rechte viel mehr wahr.» Sprich: Die jüngeren Generationen haben weniger Scham oder Mühe damit, Ergänzungsleistungen zu beziehen als frühere Generationen.

«Armut ist relativ»

Auch Annemarie Fischer hatte keine Hemmungen, einen Antrag auf Ergänzungsleistungen zu stellen. Sie sei froh um diese Unterstützung und fühle sich privilegiert. «Armut ist relativ.» Sie denke viel an die Flüchtlinge in Griechenland. Diese Menschen seien richtig arm, sie nicht, sagt sie.

EL: Basel-Stadt an der Spitze

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Ende 2019 bezogen in der ganzen Schweiz 337'000 Personen eine Ergänzungsleistung. Dies sind 16,7 Prozent der AHV- und IV-Rentner und -Rentnerinnen, wie der Statistik der EL des Bundes zu entnehmen ist. Gegenüber dem Vorjahr hat der Bestand um 2,7 Prozent zugenommen. Die Zunahme liegt leicht unter dem jährlichen Durchschnitt von rund 3 Prozent seit dem Jahr 2000.

Kantonale Unterschiede

Im Kanton Nidwalden erhalten sieben Prozent der AltersrentnerInnen eine EL, im Kanton Basel-Stadt sind es 20 Prozent. Neben Basel-Stadt weisen die meisten Westschweizer Kantone und das Tessin hohe EL-Bezugsquoten auf.

Regionaljournal Basel, 04.03.2021, 17:30 Uhr ; 

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