Bedrohte Beamte - «Nachrichtendienst sollte Staatsverweigerer stärker beobachten»
Staatsverweigerer können gefährlich sein – vor allem für einzelne Beamtinnen und Beamte. Ein Extremismusforscher fordert den Geheimdienst auf, die Szene stärker zu beobachten.
Als «Verbrecherbande» bezeichnet ein Telegram-Nutzer Betreibungsbeamte. «Sie müssen weg», schreibt ein anderer über eine Steuerbehörde. Solchen Hass und Gewaltanspielungen gibt es in vielen Kanälen der Staatsverweigerer auf den sozialen Medien.
Es ist etwa die Rede vom System, das zusammenbrechen soll. In einem Telegram-Post heisst es: «Jeder, der ein Amt bekleidet, wird am nächsten Mast aufgeknüpft!» Diese Aggression bleibt nicht im Internet. Sie zeigt sich auch, wenn Staatsverweigerer in Kontakt mit Behörden kommen.
Die SRF-Umfrage bei den Betreibungsämtern
Box aufklappenBox zuklappen
Staatsverweigerer lehnen alles Staatliche ab, auch Steuern oder Bussen. Sie fallen oft durch so genannten Papierterrorismus auf. Mit langen Diskussionen und umfangreichen Schreiben bescheren sie den Behörden viel Arbeit. Dieser Mehraufwand ist bei Betreibungsbehörden in der Schweiz beträchtlich – und in der ganzen Deutschschweiz feststellbar. Das zeigt eine schweizweite Umfrage von SRF Investigativ. Der Umgang mit Staatsverweigerern wird von den Behörden als «äusserst zeit- und ressourcenaufwändig» beschrieben. Das Phänomen hat in einigen Regionen seit der Corona-Pandemie «stark zugenommen». Neu betroffen sind auch ländliche Kantone. Etliche Ämter berichten, dass Drohungen und Schikane-Strafanzeigen persönlich gegen Betreibungsbeamte und -beamtinnen zunehmen. Zudem müssten verschiedene Ämter auch öfters die Polizei beiziehen.
Hier
geht es zur ganzen Umfrage.
So berichten in einer Umfrage von SRF Investigativ etliche Betreibungsämter von «kritischen Situationen» und «Einschüchterungsversuchen».
Strafe für «die böse Elite»
Staatsverweigerer und -verweigerinnen glaubten, dass die Schweiz gar kein Staat sei, sondern ein privates Unternehmen, das von einer bösen Elite gelenkt würde, sagt eine Insiderin. Sie tritt unter dem Pseudonym «Helvetia» auf und beobachtet die Szene seit Jahren.
Staatsverweigerer weisen Gewaltvorwurf zurück
Box aufklappenBox zuklappen
Neben drohenden Nachrichten finden sich auf den einschlägigen Kanälen auch etliche Aufrufe zur friedlichen Verweigerung. SRF Investigativ hat mehrere Staatsverweigerer kontaktiert, die auf Telegram und mit eigenen Internetseiten besonders aktiv sind. Sämtliche Interviewanfragen wurden abgelehnt oder blieben unbeantwortet.
Ein Staatsverweigerer nahm schriftlich Stellung und schreibt zu seinen eigenen Aussagen mit Gewaltbezug: «Würde ich Gewalt unterstützen, wäre schon längst etwas in der Richtung geschehen, nein Danke, ich und sämtliche Selbstdenker sind Pazifisten.» Ein anderer sagt in einem Video, das er auf Telegram gepostet hat: «Wir haben mit Gewalt nichts am Hut. Es liegt uns fern, in dieser Art etwas zu machen. (…) Egal wie man uns provoziert. Die Einzigen, die Gewalt brauchen und drohen, sind die Ämter (...).»
Viele Staatsverweigerer sagten von sich, sie lehnten Gewalt ab, so «Helvetia». «Aber es gibt in dieser ganzen Szene den Gedanken, dass man die böse Elite bestrafen müsse. Und dass diese Bösen getötet werden sollen.» Das sei ein latentes Bedrohungspotenzial.
«Zehnmal häufiger gewaltbereit»
Extremismusforscher Dirk Baier von der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften ZHAW hält die Szene insgesamt für zu klein, als dass sie eine Gefahr für die Schweizer Demokratie sei. Aber sie befinde sich in Veränderung.
Tatsächlich seien Staatsverweigerer zehnmal häufiger gewaltbereit als Personen, die mit beiden Beinen auf demokratischen Boden stehen, sagt Professor Baier und bezieht sich auf eine Befragungsstudie. Auch hätten sie eine gewisse Affinität für Schusswaffen.
Es gibt eine Gefahr für physisches Gewaltverhalten, insbesondere gegenüber Vertreter und Vertreterinnen des Staates.
Das sei alles zusammengenommen ein reales Risiko, so Baier. Gerade für Staatsangestellte und auch mit Blick nach Deutschland: Dort haben Staatsverweigerer in den letzten Jahren einen Polizisten erschossen und mehrere Beamte verletzt. Bei Razzien wurden ganze Waffenlager ausgehoben.
Was macht die Polizei in der Schweiz?
Box aufklappenBox zuklappen
Die Polizeikorps in der Schweiz nähmen die Gefahr durch Staatsverweigerer ernst, das sei zumindest sein Eindruck, sagt Extremismusforscher Dirk Baier. Auf Anfrage von SRF Investigativ schreibt das Bundesamt für Polizei, Fedpol: «Die Thematik staatsverweigernder Gruppierungen ist in der Schweiz bekannt.» Eine Bedrohung, die von Exponenten dieser Szene ausgehe, sei «nicht auszuschliessen».
Und weiter: «Klar ist, dass staatsverweigernde Szenen bzw. deren Exponenten seit der Corona-Pandemie lauter und öffentlich wahrnehmbarer wurden.» Das Fedpol habe keine Berechtigung, Gruppierungen oder Einzelpersonen losgelöst von einem Verfahren zu überwachen. Man stehe aber im engen Austausch mit den Kantonen und unterstütze die nationale wie internationale Polizeikooperation. Das gelte auch bezüglich Staatsverweigerer, schreibt das Fedpol: «Diese eingespielte Zusammenarbeit bewährt sich auch in diesem Kontext.»
Baier sagt: «Ich wünschte mir, dass insbesondere der Nachrichtendienst des Bundes diese Szene stärker beobachtet.» Weil der NDB weitreichendere Möglichkeiten zur Überwachung habe.
Geheimdienst gibt sich bedeckt
Der Nachrichtendienst nennt sich zwar offiziell nicht Geheimdienst, verfügt aber über umfassende Kompetenzen zur Informationsbeschaffung. Im aktuellen Lagebericht schreibt der NDB von «gewalttätigen Coronaextremisten», und dass diese Szene sich immer mehr auch mit anderen Ideologien vermische. «Es ist deshalb wahrscheinlich, dass gewalttätige monothematisch-extremistische Szenen entstehen werden.»
Was tun gegen anti-demokratische Kräfte?
Box aufklappenBox zuklappen
Eine Demokratie müsse alternative Standpunkte aushalten können, sagt Extremismusforscher Dirk Baier. Aber wenn Grundprinzipien in Frage gestellt würden, habe das eine zersetzende Wirkung. Überzeugte Staatsverweigerer könne man auch nicht von heute auf morgen aus dieser Ideologie rausbringen, so Baier. Das sei gut zu wissen, wenn man im privaten Kontext mit solchen Personen zu tun habe: «Dass man sich da nicht überschätzt und Menschen retten will.» Ein Weg ist laut dem Experten etwa, sich an eine Extremismusstelle, etwa zu Gewaltprävention, zu wenden. Gesamtgesellschaftlich betrachtet sieht Baier drei Möglichkeiten, anti-staatlichen Kräften entgegenzuwirken:
Für Demokratie werben: Wir müssten als Gesellschaft darüber reden, wie wertvoll es für den Einzelnen sei, in einem demokratischen System zu leben.
Die Influencer entzaubern: Es seien in dieser Szene viele “Milieumanager” unterwegs, sagt Baier. Diese Leute verdienten durch Bücher, Workshops etc, Geld mit der Ideologie. Deren Anhängerinnen und Anhänger müsse bewusstwerden, dass sie so auch für dumm verkauft würden.
Straftaten verfolgen: Bei Verstössen, auch Ehrverletzungen oder Beleidigungen, müssten die Gesetze strikt angewandt werden. «Da sollten wir auch nicht irgendwie tolerant sein und meinen, wenn man da ein bisschen zurückhaltender ist, kriegt man die Szene in den Griff», sagt der Extremismusforscher.
Zur Forderung, die Szene stärker zu beobachten, hält der Nachrichtendienst aber lediglich fest: «Personen, die sich ideologisch oder politisch radikalisieren, fallen (…) nicht in das Aufgabengebiet des NDB, solange kein konkreter Gewaltbezug feststellbar ist.»
Die maximale Anzahl an Codes für die angegebene Nummer ist erreicht. Es können keine weiteren Codes erstellt werden.
Mobilnummer ändern
An diese Nummer senden wir Ihnen einen Aktivierungscode.
Diese Mobilnummer wird bereits verwendet
E-Mail bestätigen
Wir haben Ihnen ein E-Mail an die Adresse {* emailAddressData *} gesendet. Prüfen Sie bitte Ihr E-Mail-Postfach und bestätigen Sie Ihren Account über den erhaltenen Aktivierungslink.
Keine Nachricht erhalten?
Wenn Sie nach 10 Minuten kein E-Mail erhalten haben, prüfen Sie bitte Ihren SPAM-Ordner und die Angabe Ihrer E-Mail-Adresse.
Wir haben Ihnen ein E-Mail an die Adresse {* emailAddressData *} gesendet. Prüfen Sie bitte Ihr E-Mail-Postfach und bestätigen Sie Ihren Account über den erhaltenen Aktivierungslink.
Keine Nachricht erhalten?
Wenn Sie nach 10 Minuten kein E-Mail erhalten haben, prüfen Sie bitte Ihren SPAM-Ordner und die Angabe Ihrer E-Mail-Adresse.
Sie können sich nun im Artikel mit Ihrem neuen Passwort anmelden.
Ein neues Passwort erstellen
Wir haben den Code zum Passwort neusetzen nicht erkannt. Bitte geben Sie Ihre E-Mail-Adresse erneut ein, damit wir Ihnen einen neuen Link zuschicken können.
Ihr Account wurde deaktiviert und kann nicht weiter verwendet werden.
Wenn Sie sich erneut für die Kommentarfunktion registrieren möchten, melden Sie sich bitte beim Kundendienst von SRF.