Nachhilfe ist nur etwas für Privilegierte? Für Schülerinnen und Schüler, deren Eltern das finanzieren können, damit die Berufskarriere gelingt? Das muss nicht sein, findet das Jugendrotkreuz, zum Beispiel im Kanton Aargau.
Nebst Gratis-Nachhilfe für benachteiligte Kinder in der Primarschule, organisiert es seit Januar Gratis-Nachhilfe für Berufsschülerinnen und -schüler ab 15 Jahren. Ein Angebot, das genutzt wird, aber noch nicht im grossen Stil, zeigt der Besuch im Nachhilfekurs.
Kaleab sitzt an einem Tisch im Nachhilfe-Raum in Aarau. Jeden Mittwoch besucht er die Gruppennachhilfe. Er stammt ursprünglich aus Eritrea. In der Schweiz hat er sich für eine dreijährige Berufslehre als Logistiker entscheiden und will sich auf seine Abschlussprüfung Ende Mai vorbereiten.
Das Angebot der Gratis-Nachhilfe sei hilfreich: «Sprache, Kommunikation und Allgemeinbildung – hier brauche ich am meisten Unterstützung.»
Physikaufgaben sind für mich rein sprachlich schwierig.
Der zweiten Schülerin im Nachhilfekurs geht es ähnlich. «Ich brauche Hilfe bei Physik-Aufgaben, ich bin im dritten Lehrjahr, und die Physik-Aufgaben sind für mich rein sprachlich schwierig», erzählt die junge Frau, die aus dem Iran in die Schweiz gekommen ist und eine Lehre als Hochbauzeichnerin absolviert.
Nachhilfe-Lehrer ist an diesem Abend Peter Rosetti. «Nachhilfe geben ist spannend, ich weiss nie, was mich erwartet. Man lernt neue Leute kennen, neue Themen.» Am liebsten unterrichte er Mathematik, erzählt Rosetti. Das logische Denken fasziniere ihn.
Der Erfolg der Nachhilfeschüler ist unbezahlbar.
Warum macht er das freiwillig? «Ich helfe gerne. Ich bin Informatiker und es gewohnt zu helfen.» Er wolle jungen Menschen helfen, Erfolg zu haben. Und der Erfolg sei auch sein Lohn, sagt er. «Das ist unbezahlbar.»
Nachfrage von Lernenden
Annina Koch vom Jugendrotkreuz erklärt, wieso die Gruppennachhilfe für Berufsschüler ins Leben gerufen wurden: «Wir haben im Aargau schon länger ein Nachhilfeangebot für benachteiligte Familien. Für diese 1:1-Betreuung gibt es Wartelisten.»
Die Nachfrage nach solchen Angeboten nehme zu. Nur könne man Nachhilfe für Lernende nicht auch noch als 1:1-Nachhilfe anbieten, rein personell. Deshalb die Gruppennachhilfe.
Für die Schülerinnen und Schüler ist es ein grosser Mehrwert.
Seit Anfang Jahr wurde die Gratis-Gruppennachhilfe in Aarau 13 Mal durchgeführt. Im Schnitt kamen zwei bis drei Lernende pro Abend, keine grossen Gruppen also. Lohnt sich das? «Für die Schülerinnen und Schüler ist es ein grosser Mehrwert. Einzelne kommen regelmässig. Für uns als Organisation ist es aber langfristig vermutlich nicht tragbar.»
Gratis-Nachhilfeangebote gibt es in verschiedenen Kantonen. Auch andere Organisationen, zum Beispiel das Aargauer Netzwerk Asyl, bieten Ähnliches an. Die Nachhilfe des Jugendrotkreuzes variiert von Kanton zu Kanton. Gratis-Nachhilfe für Primarschülerinnen wie im Aargau, dem Kanton Luzern oder Zug scheint verbreitet.
Im Kanton Zug gibt es keine Gratis-Nachhilfe für Berufsschüler, heisst es auf Anfrage. Man führe dafür neu in den Gemeinden Rotkreuz, Zug und Unterägeri Nachhilfe-Kleinklassen mit Primarschülerinnen und -schülern.
Die neusten Kurse des Aargauer Jugendrotkreuzes sind schwerpunktmässig für Menschen mit Migrations- oder Flüchtlingshintergrund gedacht. Ob sich Gratis-Nachhilfe für Berufsschüler durchsetzt, muss sich noch zeigen. Im Juni, nach einem halben Jahr Erfahrung, wird im Aargau entschieden, ob das Angebot weitergeführt wird.