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Berner Inselspital Nach happigen Vorwürfen: Jetzt redet Starchirurg Carrel

  • Erstmals äussert sich auch Thierry Carrel zu seinem Abgang bei der Insel und zu den kursierenden Vorwürfen.
  • Der Herzspezialist fordert die Inselleitung zum raschen Handeln auf.
  • Zudem steigt der finanzielle Druck auf die Spitalgruppe.

Thierry Carrel gilt als einer der bekanntesten Ärzte der Schweiz. Er geniesst in Fachkreisen wie auch in der breiten Bevölkerung grosses Ansehen. Fast 30 Jahre lang war er am Berner Inselspital tätig. 2020 verliess er die Inselgruppe. Auch er gehört zur Ärztegruppe, die sich kürzlich zu den Spannungen am Spital geäussert hat. «Ich mache mir grosse Sorgen», sagt der 63-Jährige gegenüber Radio SRF. «Verschiedenes läuft derzeit nicht gut.»

Das Ansehen der Insel hat gelitten.
Autor: Thierry Carrel Ehemaliger Klinikdirektor Inselspital

In den Augen von Carrel ist der letzte Woche bekannt gewordene Patientenrückgang bedenklich. Zudem habe die Reputation der Insel gelitten – insbesondere bei der Forschung.

Spitalgebäude
Legende: Das neue Hauptgebäude des Inselspitals in Bern wurde 2023 eröffnet. Keystone/MARCEL BIERI

Carrel verweist auf eine Anfang März veröffentlichte Rangliste des US-Nachrichtenmagazin Newsweek, in dem sich das Berner Universitätsspital auf Platz 207 befindet, weit hinter deutlich kleineren Spitälern. Weiter hält Carrel die Berichte zur Betriebskultur für besorgniserregend.

Das sind die Vorwürfe der Ärztegruppe

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Die Vorwürfe sind happig. Sie kommen von einer Gruppe Ärztinnen und Ärzten, die in den letzten Jahren das Inselspital verlassen haben. Unfreiwillig und nicht im Guten. Sie sprechen von einer «Mobbingkultur».

Zudem sorgt sich die Gruppe um die Forschung am Inselspital und die internationale Anerkennung. «Es ist klar: Wenn gute Leute die Insel verlassen, sinkt die Anerkennung. Zudem findet ein Verlust an Wissen statt», sagte ein Rheumatologe gegenüber SRF. Die ehemaligen Ärztinnen und Ärzte sprachen auch von einer fehlenden Fehlerkultur.

Leitung weist Vorwürfe zurück

Das stimme so nicht, sagte die Inselführung letzte Woche und verwies unter anderem auf eine anonyme Meldestelle. Die Führung betont weiter, dass ihr die Forschung wichtig sei und verweist auf die hohen Ausgaben für die Forschung – die seien derzeit so hoch wie nie

Der Herzspezialist verliess die Inselgruppe 2020 – freiwillig, hiess es damals. Carrel bestätigt heute, dass er sich damals neue Ziele gesteckt hatte. Ziele, welche er bei der Insel und im damaligen Umfeld nicht realisieren konnte. Weiter will er sich nicht dazu äussern und verweist auf eine von ihm unterschriebene Austrittserklärung.

Nur so viel: «Die aktuellen Mobbingvorwürfe sind mir aus meiner Zeit beim Berner Inselspital nicht fremd.» Er staune, wie die Inselleitung derzeit ablehnend auf Kritik reagiere. «Probleme werden negiert – und das ist bei einem solch grossen Betrieb problematisch.»

Sorgen statt Frust

Thierry Carrel operiert nun in Basel, ist im Verwaltungsrat des Freiburger Spitals HFR und reist mehrmals im Jahr für humanitäre Missionen nach Usbekistan. Zudem ist er Gemeinderat im luzernischen Vitznau. Dass er und seine Ärztekolleginnen und Ärztekollegen den Gang an die Öffentlichkeit aus Frustration gewählt hätten, verneint er. «Ich mache das aufgrund meiner Besorgnis um diese für die Region sehr wichtige Institution.»

Auch wir machen uns Sorgen wegen der Zahl der Patientinnen und Patienten.
Autor: Bernhard Pulver Verwaltungsratspräsident

Verwaltungsratspräsident Bernhard Pulver kann die Sorgen von Thierry Carrel ein Stück weit nachvollziehen. «Der Rückgang der Patientenzahlen ist derzeit unsere grösste Sorge.» Dieser habe aber nichts mit der Reputation der Inselgruppe zu tun.

Weiter Weg zum «Spitzenspital»

Vielmehr sieht er als Gründe den Umzug ins neue Insel-Hauptgebäude, die Schliessung der Spitäler in Münsingen und Tiefenau sowie anderer Projekte und den Fachkräftemangel. «Unser Ziel muss es sein, eine der führenden Kliniken weltweit zu sein», so der Verwaltungsratspräsident. Der Weg dorthin sei aber «zugegebenermassen noch weit».

Bernhard Pulver will nicht von einer Mobbingkultur sprechen. Aber: «Die Mitarbeitenden leiden unter dem ökonomischen Druck – dafür können wir aber nichts.» Pulver verweist auf die Tarifsituation, in der die Inselgruppe benachteiligt werde. «Das Betriebsklima könnte besser sein», hält er fest.

«Nach dem Umzug ins Hauptgebäude und der Einführung eines neuen IT-Projekts wollen wir uns nun wieder mehr den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern widmen», verspricht Pulver. So seien beispielsweise neue Kommunikationstools sowie eine Mitarbeiterbefragung im Herbst geplant.

Regionaljournal Bern Freiburg Wallis, 21.3.2024, 12:03 Uhr / 17:30 Uhr;kesm

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