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Berühmter Polizeisprecher Marco Cortesi geht mit «zwei weinenden Augen» in Pension

Nach fast dreissig Jahren verlässt der wohl berühmteste Polizeisprecher der Schweiz die Stadtpolizei Zürich.

Am 29. Januar 2021 wird Marco Cortesi sein Büro in der Polizeiwache Urania am Bahnhofquai räumen – nach fast 30 Jahren als Mediensprecher der Stadtpolizei Zürich. Coronabedingt sei es in diesen Tagen eher ruhig, sagt er im Abschiedsinterview mit Radio SRF. Aber: «Das kommt mir entgegen, dann habe ich mehr Zeit zum Aufräumen.» Während fast drei Jahrzehnten ist so einiges zusammengekommen, vor allem viele Erinnerungen.

Marco Cortesi

Infochef Stadtpolizei Zürich

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Marco Cortesi, geb. 1956 in Samedan. Nach einer Lehre bei der Post begann er seine Karriere bei der Stadtpolizei Zürich. Zuerst als Streifenwagenfahrer, danach arbeitete er bei der Kriminalpolizei. 1992 wechselte er zur Medienstelle, die er ab 2007 leitete. Mit seinem Bündner Dialekt und dem charakteristischen Lispeln war er weit über die Zürcher Stadtgrenzen bekannt und informierte die Öffentlichkeit fast 30 Jahre lang über sämtliche Unglücksfälle und Verbrechen auf dem Stadtgebiet. Ende Januar 2021 geht Marco Cortesi in Pension.

Marco Cortesi...

und seine Meinung zu Zürich:

«Zürich ist dort, wo die Post abgeht. Dort ist etwas los, das ist noch heute so. Am Wochenende kommen 50'000 Leute in die Stadt von ÜBERALL her. Sie wollen Party machen und in den Ausgang. Zürich wird als Magnet auch bestehen bleiben. Medienchef sein in Zürich ist deshalb sicher der interessanteste Mediensprecher-Job in der Schweiz.»

...über den Jahrhundert-Kunstraub der Bührle-Bilder

«Da ist nicht alles rund gelaufen», erinnert sich Cortesi an den spektakulären Kunstraub im Februar 2008, bei dem vier wertvolle Bilder gestohlen wurden. Das Ausmass des Falls war ihm zuerst nicht bewusst. «Als der Kurator mir sagte, die Bilder seien etwa 400 Millionen Franken wert, dachte ich: Der ist nicht ganz ‹putzt›!» Cortesi liess sich dann vom Direktor des Kunsthauses eines Besseren belehren. Um einer extremen Lösegeldforderung der Räuber entgegenzuwirken, einigte man sich auf einen Wert von 180 Millionen Franken.

...über das Drogen-Elend auf dem Letten

«Es war ein Elend, das man sich heute nicht mehr vorstellen kann. Ich konnte mir aber auch nicht vorstellen, dass es ein Zürich gibt ohne «Needlepark». Für die Bewohner vom Kreis 4 und 5 war es eine sehr schwierige Situation. Überall lagen Leute und Spritzen herum, es wurde in Hauseingänge uriniert. Zum Glück zog die Politik an einem Strick und es wurde eine Lösung gefunden.»

...über die berüchtigten 1. Mai-Nachdemos in Zürich

«Der 1. Mai war immer schwierig. Jedesmal kam es zu Sachschäden von mehreren Hunderttausend Franken. Die Polizei war mehr oder weniger machtlos, aus der Politik kamen keine klaren Aufträge. Heute ist der 1. Mai kein Problem mehr. Das liegt einerseits an der veränderten Politik, andererseits hat die Polizei heute technisch viel mehr Möglichkeiten.»

...über seinen Promi-Status

«Den habe ich nicht gesucht, es hat sich ergeben. Ein Medienchef einer Stadtpolizei Zürich wird zwangsläufig zum Gesicht dieser Firma. Was mich wirklich freut: Von einem Grossteil der Journalisten werde ich geschätzt, auch auf der Strasse bei den Leuten merke ich das. Das hat nicht nur mit meiner Arbeit zu tun, sondern mit dem Team. Das macht die Hauptarbeit. Ich muss eigentlich nur den Penalty in ein leeres Goal schiessen, das schaffe ich dann meistens.»

...über fehlende Worte

«Als das Zunfthaus zur Zimmerleuten brannte, verlor ein Feuerwehrmann das Leben und ich sollte an die verbliebenen 25 Feuerwehrleute ein paar Worte richten. Dann stand ich vor Ihnen, erwachsene Männer mit schwarzen Gesichtern und Tränen in den Augen. Und ich merkte: Ich kann es nicht. Ich fand die richtigen Worte nicht. Das kommt vor, wenn man so betroffen und berührt ist.»

...über seine Zukunft

«Ich habe eine Firma gegründet, da geht es um Kommunikation allgemein und um Krisenmanagement im Besonderen. Meine Aufgabe wird dann hinter der Kamera und dem Mikrofon sein, als Berater. Ob das zum Fliegen kommt, kann man in der Corona-Zeit nicht sagen. Ich fühle mich aber vital und jung genug, dass ich noch etwas weitergeben könnte.»

Regionaljournal Graubünden, 19.01.21, 17:30 Uhr, kerf

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