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Vorschuss bei Ehrverletzungsklagen: Enlastung oder Belastung?
Aus Regionaljournal Ostschweiz vom 21.05.2024. Bild: Keystone/Peter Klaunzer
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Beschimpfungen im Internet Staatsanwaltschaften verlangen Vorschuss bei Ehrverletzungsklagen

Ob Staatsanwaltschaften Vorschüsse bei Ehrverletzungsklagen verlangen, können sie selbst entscheiden. Die Höhe variiert.

Ehrverletzungen entstehen durch Äusserungen oder Handlungen, welche die persönliche Ehre eines Menschen verletzen. In der juristischen Fachsprache ist von Beschimpfungen, übler Nachrede oder Verleumdung die Rede.

Mit dem Internet und den sozialen Medien hat es über die letzten Jahre neue Formen von Ehrverletzungen gegeben. Entsprechend häufen sich Anzeigen in diesem Bereich. Laut Bundesamt für Statistik hat sich die Zahl der Ehrverletzungsklagen in der Schweiz in den letzten 15 Jahren mehr als verdoppelt.

Das Problem: Angeklagt ist schnell jemand, allerdings steckt nicht immer eine Straftat dahinter. Seit diesem Jahr können kantonale Staatsanwaltschaften einen Vorschuss verlangen, also eine «Sicherheitsleistung für Kosten und Entschädigung».

Diese Änderung in der Strafprozessordnung schlug der Bundesrat vor, aus der Überlegung, dass «bei solchen Delikten der Antrieb für eine Anzeige oftmals eher im Wunsch nach persönlicher Vergeltung liegt».

Ob eine Staatsanwaltschaft einen Vorschuss verlangt, bevor sie sich einem Fall annimmt, kann sie selbst entscheiden. Eine Umfrage bei einigen Kantonen zeigt: Die Höhe variiert. Die Staatsanwaltschaft St. Gallen verlangt mindestens 500 Franken, in Basel-Stadt sind es 800, im Thurgau 1000 und in Graubünden 1500 Franken.

Zürich macht es von verfügbaren Mitteln abhängig

Im Kanton Zürich gibt es eine Abstufung. Wenn die Anzeige eingereicht wird, sei noch nicht bekannt, in welchem Einkommens- oder Vermögensspektrum sich die Person befinde, heisst es. Je nachdem liegt die Gebühr zwischen 1100 und 2100 Franken.

Allgemein verweisen die Kantone darauf, dass Anzeigestellende, die nicht über die nötigen Mittel verfügen, ein Gesuch um Erlass stellen können. Aus den angefragten Kantonen heisst es, dass die Staatsanwälte Ermessensspielraum hätten. Also: Wie hoch ist die Gebühr oder wird überhaupt eine verlangt? In St. Gallen beispielsweise «wird bei schwerwiegenden Beleidigungen in der Regel keine Sicherheitsleistung verlangt».

Sie müssen als Opfer zeigen, dass sie nicht über die erforderlichen Mittel verfügen. Das ist aufwendig und unangenehm.
Autor: Martin Steiger Rechtsanwalt

Mit den Vorschüssen will die Politik die Staatsanwaltschaften entlasten. Die Bezahlhürde kann aber auch abschreckend wirken, gerade für finanziell schwächere Personen. Die neuen Gebühren sorgen bei Rechtsanwalt Martin Steiger regelmässig für Ärger: «Die meisten Mandantinnen und Mandanten finden das unfair. Sie stellen die Strafanzeige normalerweise nicht leichtfertig. Dies ist ja bereits eine Belastung. Dazu kommt nun die finanzielle Belastung.»

Seine Mandantinnen und Mandanten würden den Betrag oft bezahlen, sagt Steiger weiter. Klar: Eine finanziell schwächere Personen kann einen Antrag auf Erlass stellen, aber: «Letztlich ist dies eine weitere Hürde. Sie müssen als Opfer zeigen, dass sie nicht über die erforderlichen Mittel verfügen. Das ist aufwendig und unangenehm.»

Entlastung für die Staatsanwaltschaften?

Im Normalfall gibt es nach Abschluss des Verfahrens den Vorschuss zurück. Die Staatsanwaltschaft Thurgau schreibt: «Im Fall eines Schuldspruchs wird der Kostenvorschuss zurückerstattet. Eine Rückerstattung erfolgt auch im Fall einer Einstellung oder eines Freispruchs.»

Ob die Neuerung wirklich Entlastung bringt, ist offen. Eine abschreckende Wirkung für Klagende könnte der Vorschuss haben: In Graubünden wurden von 36 Vorschüssen für Ehrverletzungsklagen nur 14 bezahlt, im Thurgau war dies etwa bei der Hälfte der Fall.

Regionaljournal Ostschweiz, 21.5.2024, 17:30 Uhr ; 

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