Das Wichtigste in Kürze
- Sechs Festnahmen im Kanton Tessin wegen Verstoss gegen das Ausländergesetz.
- Ein Mitarbeiter und zwei ehemalige Mitarbeiterinnen im Migrationsamt sollen Dokumente und Aufenthaltsbewilligungen «vermittelt» haben.
- Drei Komplizen wurden festgenommen, einer im Kosovo.
- Für die «Dienste» sind mehrere tausend Franken Geld geflossen.
Im Tessin sind am Dienstag ein Mitarbeiter und eine ehemalige Mitarbeiterin des kantonalen Migrationsamts festgenommen worden. Sie sollen Komplizen eines 25-jährigen Schweizers gewesen sein, gegen den ein Haftbefehl unter anderem wegen Menschenhandels vorliegt. Das teilt die Kantonspolizei Tessin mit.
Die beiden 28-jährigen Staatangestellten sollen zusammen mit zwei Komplizen mehreren ausländischen Personen illegale B-Aufenthaltserlaubnisse im Tessin und anderen Kantonen «vermittelt» haben. Für ihre Dienste sollen sie «mehrere tausend Franken» erhalten haben. Den beiden Verhafteten wird Diebstahl, Bestechung und ein Verstoss gegen das Ausländergesetz vorgeworfen.
Zwei Komplizen festgenommen
Ein 25-jähriger Komplize sei im Kosovo festgenommen worden. Er führte ein Bauunternehmen im Raum Bellinzona, das mittlerweile Konkurs gegangen ist. Gegen ihn wurde ein Haftbefehl ausgestellt. Ihm werden Menschenhandel, Bestechung, Dokumentenfälschung und Verstösse gegen das Ausländergesetz vorgeworfen.
Bei der vierten festgenommen Person handelt es sich um einen 27-Jährigen, der ebenfalls auf verschiedene Weise in den Fall verwickelt sein soll.
Weitere zwei Verhaftungen
Am Mittwochabend wurden schliesslich zwei weitere Personen festgenommen: Eine weitere 23-jährige ehemalige Mitarbeiterin des Tessiner Migrationsamts und ein ebenfalls in Bellinzona wohnhafter 27-jähriger Türke wurden wegen des gleichen Tatverdachts festgenommen, teilte die Kantonspolizei Tessin mit.
Bei Hausdurchsuchungen bei den beiden Verhafteten seien Sicherheitspapier und Plastikhüllen gefunden worden. Diese kämen für das Erstellen von Aufenthaltsbewilligungen für Ausländer zum Einsatz. Ermittlungen hätten ergeben, dass die Frau das Büromaterial an ihrem ehemaligen Arbeitsplatz unterschlagen habe, um sie dem 27-jährigen Türken auszuhändigen.
Bereits früher entlassen
Sicherheitsdirektor Norman Gobbi (Lega) verurteilte den Vorfall und bedauerte den Vertrauensmissbrauch. Die 28-jährige ehemalige Staatsangestellte sei bereits 2015 aus «disziplinarischen Gründen» aus dem Dienst entlassen worden, teilte Gobbi in einer Medienkonferenz am Nachmittag mit. Ein Zusammenhang mit der laufenden Untersuchungen bestehe nicht.
Dem gleichaltrigen Kollegen im Migrationsamt wurde die Zugangsrechte zu seinem Arbeitsort entzogen. Für das weitere Vorgehen werde der Entscheid der Staatsanwaltschaft abgewartet.
«Ich bin hässig. Vertrauen muss immer gelten, vor allem im Bereich der Migration», sagte Gobbi dem SRF.
Neuorganisation im Migrationsamt
Gobbi sagte vor den Medien, dass die internen Kontrollen im Migrationsamt effizient gewesen seien und zur Aufklärung beigetragen hätten. Ausserdem sei innerhalb des Tessiner Migrationsamts in der Zwischenzeit eine «Neuorganisation» eingeleitet worden.
Sie beruhten auch auf den Polizeiermittlungen in dem mutmasslichen Betrugsfall. Bei der Neuorganisation wurde die Interims-Chefin der Sektion für Bevölkerungsfragen durch Thomas Ferrari als neuen Leiter ersetzt.
2011 verfügte Gobbi, dass beim Tessiner Migrationsamt nur noch Schweizer Staatsbürger arbeiten dürfen. So könne das «Missbrauchsrisiko» gemindert werden – der nun mutmasslich straffällige Mitarbeiter aus Italien sei 2010 angestellt worden. Erst später habe er die Schweizer Staatsbürgerschaft erhalten.
B-Bewilligungen werden ungültig
Hinweise auf die mutmasslichen Fälle von Menschenhandel war von verschiedenen Ämtern und der Abteilung für Bevölkerungsfragen innerhalb des Tessiner Sicherheitsdepartements gekommen.
Missbräuchliche B-Bewilligungen können vom Migrationsamt zurückgezogen werden. Gobbi hat an der Medienkonferenz klargemacht, dass das passieren wird, wenn der Missbrauch bewiesen ist.
Schon viele böse Reaktionen im Tessin
Insgesamt sind nun laut der Kantonspolizei schon sechs Personen verhaftet worden, berichtet SRF-Korrespondent Daniel Schäfer. Der Fall könnte also noch grösser sein:
«Der Migrationsdruck an der Grenze zu Italien und auch die grosse Zahl Grenzgänger haben zur Folge, dass die Tessiner Bevölkerung bei diesem Thema sehr genau hinschaut. Und da kommt ein solcher Missbrauchsfall natürlich ganz schlecht an.»