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«Besuchsbox» im Altersheim «Kriminalfilme haben mich inspiriert»

Alte Menschen sind durch das Coronavirus besonders gefährdet. Persönliche Besuche von Angehörigen in Alters- und Pflegeheimen sind deshalb seit längerer Zeit nicht mehr erlaubt. Um traurige Szenen zu vermeiden, hat das Heim Risi in Wattwil im Toggenburg seit einer Woche eine «Bsuechsbox». Die einfache Installation übertreffe alle Erwartungen, berichtet Erfinder und Heimleiter Georg Raguth.

Georg Raguth

Personen-Box aufklappen Personen-Box zuklappen

Georg Raguth leitet seit 2010 das Alters- und Pflegeheim Risi mit über 100 Plätzen in Wattwil (SG).

SRF News: Wie sind die auf die Idee mit der «Bsuechsbox» gekommen?

Georg Raguth: Ich habe mir überlegt, wie sich die Bewohnerinnen und Bewohner und vor allem auch die Angehörigen trotz der erschwerten Lage sehen könnten. Mit kamen – so komisch es auch klingen mag – all die Kriminalfilme mit Gefängnisbesuchen in den Sinn. So etwas Ähnliches mit einer Scheibe und Telefonen wollte ich haben.

Mir kamen die Gefängnisbesuche aus Kriminalfilmen in den Sinn. So etwas Ähnliches wollte ich haben.
Autor: Georg Raguth Heimleiter

Von der Idee bis zur Umsetzung ging alles sehr schnell?

Das ging tatsächlich blitzartig, dank der Mitarbeiter vom Betriebsunterhalt. Sie planten und bauten die Box am letzten Donnerstag innert Tagesfrist an die Gebäulichkeiten und im Innern an. Vorteilhaft war, dass gegen den Platz die Fenster praktisch bodentief sind. So zimmerten sie je eine absolut dichte Box, damit auch die Privatsphäre gewährleistet ist. Das Fenster dazwischen wurde geöffnet und eine Plexiglasscheibe eingepasst.

Wie funktioniert die Kommunikation durch die Plexiglasscheibe?

Es gibt auf beiden Seiten Spezialtelefone, die auch für Personen mit Hörgeräten tauglich sind. Damit ist die Kommunikation sehr gut möglich. Die Unterhaltung bekommt mit dem Sichtkontakt aus nächster Nähe natürlich einen ganz anderen Stellenwert.

Die weisse Kontakt-Box von innen.
Legende: Ein ganz besonderer Schrank: Die weisse Kontakt-Box im Alters- und Pflegeheim Risi. ZVG

Wie ist die Hygiene in den Boxen gewährleistet?

Das ist tatsächlich das Aufwendigste. Die Boxen müssen nach jedem Besuch gründlich desinfiziert werden. In der Aussenbox stehen nur ein Stuhl und ein Telefon. In der Innenbox ist es etwas gemütlicher und schon fast wie eine Stube. Mit beschichteten Kinderzeichnungen an den Wänden, damit diese auch immer desinfiziert werden können.

Man könnte ja auch über Skype kommunizieren. Was ist der Vorteil der Kontaktbox?

Per Skype lief die Kommunikation zwischen Bewohnern und Angehörigen schon vor der Kontaktbox. Es gibt Leute, die mit dieser Technik sehr gut zurechtkommen. Andere wiederum haben grosse Mühe, wenn sie ihre Angehörigen nur auf dem Bildschirm sehen. Sie finden es unheimlich. Das war auch ein Grund für die Suche nach Alternativen.

Wie fallen die Reaktionen aus?

Die Reaktionen sind überwältigend. Ich habe noch selten etwas umgesetzt, dass so positiv aufgenommen wurde. Wir begleiten die Menschen in die Box und helfen bei der Einrichtung. Die Tränen in den Augen gehen ans Herz. Etwa wenn ein Angehöriger mit einem Heimbewohner bespricht, wie sie dann im Herbst zusammen im Tessin ein paar Tage Ferien machen. Das sind herzerweichende Szenen.

Die Tränen in den Augen gehen ans Herz.
Autor: Georg Raguth Heimleiter

Gibt es schon Anfragen von anderen Heimen, die mehr über Ihr Projekt wissen wollen?

Es haben tatsächlich bereits Interessenten angefragt. Anfänglich behielten wir das Projekt für uns, um einen medialen Hype zu vermeiden. Es sprach sich dann aber schnell herum. Zu sagen ist: Wir haben durchwegs positive und unheimlich viele Rückmeldungen. Viele sagen, sie wollten ebenfalls eine entsprechende Box aufstellen.

Das Gespräch führte Sven Epiney.

SRF 1, Morgengast, 07.04.2020, 07:17 Uhr ; 

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