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Bewältigung von Long Covid Medizinische Forschung: mehrere Auslöser für Long Covid

Die Wissenschaft macht Fortschritte, wenn es darum geht, Long Covid zu verstehen.

Die Spannbreite einer akuten Corona-Infektion ist enorm: von symptomlos bis tödlich. Ähnliches gilt für Long Covid, die allermeisten werden nach der Infektion wieder völlig gesund. Manche durchleben einige Wochen oder Monate, in denen sie richtig krank oder zumindest nicht so fit sind wie sonst, erholen sich aber komplett. Andere verlieren auf längere Zeit ihren Geruchssinn, bleiben aber sonst die Gleichen, für wieder andere verändert sich das Leben völlig, vielleicht für immer.

Gerichtsfall in den Niederlanden

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Zwei Gewerkschaften haben in den Niederlanden gegen den Staat geklagt, um Ärztinnen und Pflegern zu helfen, die von Long Covid betroffen sind. Sie vertreten über 1000 Personen. Es geht um finanzielle Überbrückung vom Staat, weil die Betroffenen zu wenig Geld zum Überleben erhalten, bis ihnen allenfalls eine Erwerbsunfähigkeitsrente zugesprochen wird. Die Gewerkschaften verlangen, dass jede Person 23'000 Euro erhält, bis die Schuldfrage abschliessend geklärt ist.

«Es ist nicht klar, wer daran schuld ist, dass die Leute so krank geworden sind. Es gab in den ersten Monaten der Pandemie nicht genug Atemschutzmasken und nicht genug Schutzanzüge», sagt der SRF-Mitarbeiter in Den Haag, Thomas Verfuss. Die Regierung gebe den Spitälern die Schuld, die ihre Angestellten nicht geschützt hätten und die Spitäler sagen, dass Katastrophenschutz Sache der Regierung sei. Am Freitag wird die Klage vor Gericht verhandelt.

Was akute Infektion und Long Covid unterscheidet: Die akute Infektion trifft vor allem ältere Menschen schwer. Bei Long Covid ist die Altersverteilung anders: Am höchsten ist das Risiko für jüngere Frauen. Die Mehrheit der Long-Covid-Fälle entwickelt sich nach einer milden, akuten Infektion und bei Menschen im besten Alter.

Aus vier Gründen kann Long Covid auftreten

Was die Mechanismen angeht, sind sich Forscher inzwischen weitgehend einig: Es gibt mehrere, die hinter Long Covid stecken können, sie können gleichzeitig, nacheinander oder für sich auftreten.

  • Ein Viren-Reservoir im Körper: Immer mehr Studien belegen, dass an verschiedenen Stellen im Körper über Monate Viren oder Virenschnipsel zurückbleiben können. Diese Reservoirs sorgen für eine Art Dauerentzündung im Körper.
  • Ein Autoimmuneffekt: Das Virus bringt das Immunsystem der Betroffenen so durcheinander, dass ihr Immunsystem den eigenen Körper angreift.
  • Reaktivierung von schlummernden Viren: Die Corona-Infektion weckt im Körper schlummernde andere Viren wieder auf.
  • Dazu kommen Gewebeschäden, die der Körper nicht mehr reparieren kann: Dies betrifft vor allem Menschen, die einen schweren Verlauf hatten.
Eine junge Frau liegt müde auf einem Sofa (Symbolbild)
Legende: Dass nach einer Virenerkrankung dauerhafte Schäden auftreten können, ist bekannt. Allerdings treten sie nach Covid-19 sehr häufig auf. SRF/shutterstock

Therapien werden gerade erst entwickelt, die besser verstandenen Mechanismen bieten dafür nun Ansatzpunkte. Bis die klinischen Studien, die jetzt anlaufen, Resultate liefern, wird es aber noch dauern.

Häufigkeit schwierig zu erfassen

Solide Zahlen zur Krankheitslast sind rar, praktisch alle Studien haben Schwächen. Eine Studie aus Grossbritannien etwa schätzt, dass im Herbst 2022 2.1 Millionen Menschen im Land betroffen waren. Doch sie beruht auf Angaben der Betroffenen. Selbst die Häufigkeit von Long Covid nach einer Infektion ist nicht gut zu erfassen. Vielleicht fünf Prozent, vielleicht mehr, vielleicht weniger. Es wird weitere Studien geben, richtig gute Zahlen aber wohl nie.

Neu ist das Phänomen Langzeitfolgen nach viralen Krankheiten eigentlich nicht. Auch andere Viren können dauerhaften Schaden im Körper anrichten, das ist bekannt: Myalgische Enzephalitis etwa oder chronische Fatigue, oder die inzwischen recht gut gesicherte Verbindung von Multipler Sklerose und dem Epstein-Barr-Vius. Experten und Forscherinnen sind also nicht überrascht. Neu ist die schiere Menge, mit der das Phänomen in der Folge dieser Pandemie auftritt.

Echo der Zeit, 13.02.2023, 18 Uhr

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