Albert Einstein erhält den Nobelpreis für Physik, Friedrich Dürrenmatt wird geboren, Adolf Hitler wird zum Vorsitzenden der NSDAP gewählt – und im aargauischen Städtchen Brugg wird das Kino Odeon eröffnet, eines der ersten Lichtspielhäuser der Schweiz: All das passierte im Jahr 1921.
Doch während Einstein, Dürrenmatt und Hitler längst Geschichte sind, empfängt das Kino Odeon am selben Standort wie 1921 direkt am Brugger Bahnhofplatz sein Publikum zu Film, Theater und anderen kulturellen Aktivitäten. Das Odeon ist das zweitälteste Kino im Aargau und eines der ältesten der Schweiz. Doch während das älteste – das Royal in Baden – heute kein Kino mehr ist, werden im Odeon nach wie vor Filme gezeigt.
Im Februar wollte das Kulturhaus das grosse Jubiläum feiern, wegen der Corona-Pandemie sind die Feierlichkeiten verschoben. Dennoch hat sich das Odeon-Team auf das Jubiläum vorbereitet, und unter anderem die bewegte Geschichte des Kulturhauses aufgearbeitet. Entstanden ist ein Film, der 100 Kinogeschichte Revue passieren lässt.
100 Jahre Odeon Brugg
«Nur» ein Kino ist das Odeon schon länger nicht mehr. Vor über 20 Jahren stand es vor dem Aus, es sollte abgerissen werden. Nach der Rettung haben die Betreiberinnen und Betreiber entschieden, aus dem Odeon (wieder) ein Kulturhaus mit mehreren Standbeinen zu machen; mit Film, Theater, Tanz, Musik und anderen kulturellen Angeboten.
Das Odeon wurde schon in seinen Anfangszeiten nicht nur als Kino genutzt.
Diese Neustrukturierung war gewissermassen eine Rückkehr zu den Wurzeln, sagt Stephan Filati, Co-Betriebsleiter des Odeon: «Wir haben bei den Recherchen zum 100-Jahr-Jubiläum festgestellt, dass es schon in der Anfangszeit eine kleine Bühne für Gesang oder andere Darbietungen gegeben hat.» Erst später sei das Haus längere Zeit «nur» ein Kino gewesen.
Gerade in den letzten Jahren habe es das Kino nicht einfach gehabt. Die Konkurrenz von TV, Internet und Streamingdiensten habe den Kinos zu schaffen gemacht, sagt Filati: «Es ist sicher nicht schlecht, wenn man diversifiziert und nicht nur auf Filme setzt.» Ein weiterer Grund für den Fortbestand des Odeons sei das engagierte Betriebsteam, wo sich immer wieder Leute freiwillig engagieren würden.
Trotz der Ähnlichkeiten bei der kulturellen Ausrichtung: um 1920 sei Kino ein ganz anderes Erlebnis gewesen, erzählt Stephan Filati. Die Technik sei eine komplett andere gewesen, aber auch inhaltlich habe es grosse Unterschiede gegeben. In der Anfangszeit liefen im Odeon eher kurze Lustspiele, die live vertont wurden; Einakter oder Slapstick-Filme von Charlie Chaplin oder Buster Keaton. Daneben wurden Nachrichten aus aller Welt und Filmaufnahmen aus der Region gezeigt, zum Beispiel Aufnahmen vom Rutenzug, dem Brugger Jugendfest.
«Das bewegte Bild im Kino hatte damals eine ganz andere Wirkung», beschreibt der Co-Betriebsleiter des Odeon die Anfangszeit. Es seien damals Leute in Ohnmacht gefallen oder in Panik ausgebrochen. Früher wie heute sei Kino Teil der Populärkultur, also etwas, das sich fast alle leisten konnten. Allenfalls sei das Image des Kinos früher noch verruchter gewesen, das Theater dafür die gehobenere Form der Unterhaltung.
Für die Zukunft wünscht sich Stephan Filati ein bisschen dieser «Verruchtheit» zurück. Das Kino brauche für die nächsten 100 Jahre nicht immer neue technische Weiterentwicklungen: «Ich wünsche mir dafür wieder bessere Geschichten – und vor allem gewagtere Ideen für das Kino.»