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Big Brother in der Spitalküche KI wacht über Senioren-Ernährung in Basler Uni-Altersspital

Dass Patientinnen genug und das Richtige essen, überwacht in einem Basler Altersspital künstliche Intelligenz.

Unterernährung im Spital sei vor allem in der Altersmedizin ein sehr wichtiges Thema, sagt Nadine Engler, Betriebsleiterin des Felix Platter-Spitals der Universitären Altersmedizin in Basel: «Patienten verlieren Kraft oder kommen nicht wieder auf die Beine, wenn das von der Ernährung her nicht möglich ist.» Deswegen hat das Spital vor knapp einem Jahr den schweizweit einzigen KI-Foodscanner in Betrieb genommen.

Spitalküchen-Förderband
Legende: Auf dem Förderband der Felix Platter-Spitalküche werden die Portionen individuell dosiert. SRF/Monika Glauser

Auf dem Fliessband in der Spital-Grossküche steht eine lange Reihe Tabletts. Aus einem Zimmer kommt der Mittags-Teller nur halb leer gegessen zurück. Vor dem Abwaschen erkennt der Scanner per Strichcode, wessen Teller das war, und erfasst per 3D-Kamera die Essensreste. Künstliche Intelligenz errechnet daraus, wie viel die Patientin tatsächlich verspeist hat.

Künftig soll das System genauere Daten mit Kalorien, Proteinen, Kohlehydraten und Nähstoffen errechnen können. Dazu müssen jedoch noch die Rezepte der Spitalküche analysiert und in der Software hinterlegt werden.

Bisher Einzelstück

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Das Foodscanner-System des Basler Felix Platter-Spitals hat bisher rund 100'000 Franken gekostet. Entwickelt haben dieses Pionier-System der Altersmediziner Tobias Meyer und das Zürcher Software-Startup-Unternehmen Nutrai.

Dessen Mitgründer Mike Schälchli will den Foodscanner auch anderen Spitälern verkaufen. Das sei nicht so einfach, auch weil Ernährung und Medizin nicht überall zusammen betrachtet würden. Ernährung sei an vielen Spitälern keine Priorität, trotz ihres grossen Einflusses auf das Wohlergehen der Patientinnen und Patienten.

Foodwaste noch wenig auf dem Radar

Überdies wird das Verschwenden von Lebensmitteln, der sogenannte Foodwaste, laut Mike Schälchli oft nicht als Problem erkannt, weil man das nicht überwache. Das Basler System liefere Daten, die man mit der Leitung einer Spitalküche konkret diskutieren könne.

Dennoch ist er optimistisch: In Zukunft seien solche Systeme Standard, aus Gesundheits- und Umweltschutz-Gründen.

Tobias Meyer sieht neben Spitälern auch einen Nutzen von Foodscannern für die stationäre Langzeitpflege sowie für Mensen wie etwa in Schulhäusern.

Die Anlage wurde gefüttert mit Daten der Patientinnen und Patienten: Was sie gerne essen, was weniger, und wie viel. So wird schon das Menu individuell auf den Teller geschöpft und dieser vor dem Servieren zum Vergleich fotografiert. 900 Teller täglich werden derzeit so mit künstlicher Intelligenz überwacht: Zmorge, Zmittag und Znacht von 300 Personen im Felix Platter-Spital.

Computerproblem Serviette

Die Differenz zwischen dem servierbereiten Teller und den Resten nach dem Essen auszuwerten, ist anspruchsvoll. Die Teller müsse man einzeln transportieren und zuerst wieder vergleichbar herrichten, erklärt Betriebsleiterin Nadine Engler: Salatresten auf dem Tablett oder die zerknüllte Serviette und das Besteck auf dem Teller gäben dem Computer Fehlinformationen.

Tablett-Sammelrolli
Legende: Im Sammelwagen der Spitalküche dürfen die Teller nicht platzsparend zusammengestellt werden, sondern müssen einzeln zurück zum Foodscanner. SRF/Monika Glauser

Für einen Foodscanner sei das Felix Platter-Spital gut geeignet, weil das Altersspital «eine sehr homogene Patienten-Population» habe, sagt der Arzt Tobias Meyer, der das System erfunden hat: Alle seien über 65 Jahre alt, der Durchschnitt liegt bei über 80 Jahren.

Fast alle Patientinnen und Patienten hätten ein Problem mit der Nahrungsaufnahme, etwa keine Zähne mehr, könnten nicht schlucken oder seien sehr krank. «Die Nahrungsaufnahme ist ein grosses Thema bei uns», sagt Tobias Meyer. Gerade bei Älteren sei wichtig zu wissen, was sie tatsächlich essen. Denn einige können dies nicht mehr selber sagen, zum Beispiel wegen Demenz.

Daten-Fenster zum Gegessenen
Legende: Ein «Dashboard» zeigt die Teller vor und nach dem Essen sowie die Speisebilanz der betreffenden Person. zVg/Nutrai GmbH

Der KI-Foodscanner hat die früher beim Abräumen von Hand geschriebenen Teller-Protokolle der Pflege zuhanden der Ernährungsberatung abgelöst. Bei rund 5500 stationären Fällen jährlich seien zuletzt nur noch 400 bis 600 Tellerprotokolle pro Tag geschrieben worden.

Tellerprotokolle fielen Stress zum Opfer

«Das gehört zu den ersten Dingen, die wegfallen, wenn der Stress zunimmt», erklärt Tobias Meyer. Auch sei diese Aufgabe zunehmend schlechter erledigt worden, sodass es nichts mehr gebracht habe.

Felix Platter-Spital in Basel
Legende: Das atriumförmige Felix-Platter-Spital der Universitären Altersmedizin Basel wurde Anfang 2019 eingeweiht. Rechts daneben steht der denkmalgeschützte Vorgängerbau aus den 1960er Jahren, der heute zum Wohnen genutzt wird. zVg

Doch auch die KI hat Grenzen: Der Foodscanner stellt zwar fest, wenn jemand nichts isst, was vorher beim Abräumen zusammengestellter Teller gar nicht auffiel. Die KI versteht aber nicht, warum wenig oder nichts gegessen wird – ob das an den dritten Zähnen liegt, jemand das Besteck nicht festhalten kann, keinen Appetit hat oder gar einen Schlaganfall hatte. Da ist natürliche medizinische Kompetenz gefragt.

Regionaljournal Basel Baselland, 26.2.2024, 17:30 Uhr ; 

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