Das Wichtigste in Kürze:
- In keinem anderen Kanton haben so viele Jugendliche mit 25 Jahren keine Erstausbildung abgeschlossen wie in Genf.
- 17 Prozent haben weder eine Lehre, eine Berufsschule oder eine höhere Schule abgeschlossen, sondern lediglich die obligatorische Schulzeit absolviert.
- Dies soll sich ändern: Nach den Sommerferien führt Genf als erster Kanton die obligatorische Ausbildung bis 18 Jahre ein.
Rund 500 Jugendliche fallen in Genf jedes Jahr nach der obligatorischen Schulzeit durch die Maschen und sind weder Lehrlinge noch Schüler. Manche arbeiten überhaupt nicht, andere nehmen Gelegenheitsjobs an. Das ist nun nicht mehr möglich: Der Kanton Genf nimmt diese Jugendlichen an die Hand – ob sie wollen oder nicht.
«Als erstes steht der Besuch beim Berufsberater an», sagt der kantonale Verantwortliche Gilles Miserez. Ziel sei herauszufinden, was die Jugendlichen bräuchten. Der Kanton Genf habe sich verpflichtet, die Jugendlichen so lange zu begleiten, bis eine Ausbildungslösung gefunden sei – auch wenn dies mehrere Jahre dauere.
Die Jugendlichen einfach weiter in die Schule zu schicken, sei nicht die Idee, sagt Meserez: «Es wird eine berufliche Vorausbildung zusammengestellt, die individuell auf die Bedürfnisse abgestimmt ist». Zum Beispiel während drei Monaten: Vier Tage die Woche Praktika in einem Betrieb, ein Tag Schule mit Allgemeinbildung.
Kanton greift tief in die Tasche
Die Jugendlichen sollen animiert werden, eine persönliche Strategie zu entwickeln mit dem Ziel, einen Ausbildungsplatz für eine Anlehre oder Lehre zu finden, sagt Miserez. Der Kanton übernimmt viel Verantwortung und lässt sich diese auch etwas kosten. Knapp 50 Stellen sind neu geschaffen worden: von Lehrpersonen über Berufsbildner bis zu Sozialarbeitern und Psychologen. Die Kosten belaufen sich auf jährlich rund 7,5 Millionen Franken.
Es wird sich zeigen, ob wir auf dem richtigen Weg sind.
Die Verpflichtung, Jugendliche bis 18 Jahre obligatorisch auszubilden, ist in der neuen Genfer Verfassung festgehalten, die 2012 vom Stimmvolk mit 80 Prozent angenommen wurde. Für Bildungsdirektorin Anne Emery-Torracinta ist unausweichlich, dass auch die in Genf ansässigen Unternehmen umdenken und zum Beispiel mehr Praktikums- und Lehrstellen schaffen. Im Dialog werde kontinuierlich eruiert, welches Rüstzeug die Jugendlichen für diese Stellen mitbringen müssen.
Die Lehre stärken
Aktuell beginnen in Genf nach der obligatorischen Schulzeit nur drei bis vier Prozent aller Jugendlichen eine Berufslehre, wie man sie in der Deutschschweiz kennt: also mit Arbeiten in einem Betrieb und einem oder zwei Schultagen. Die berufliche Vorausbildung soll auch helfen, diese Lehre aufzuwerten.
«Ob wir auf dem richtigen Weg sind, wird sich zeigen», sagt die Genfer Bildungsdirektorin. Wichtig sei, dass das Programm der obligatorischen Ausbildung bis 18 Jahre nach den Sommerferien nun los gehe. Anpassungen und Verbesserungen könne man dann nach ersten gesammelten Erfahrungen machen.