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Listenflut bei eidgenössischen Wahlen: Das steckt dahinter
Aus Regionaljournal Aargau Solothurn vom 03.04.2023. Bild: Keystone / Gaetan Bally
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Boom von Unterlisten Es droht eine Kandidierenden-Flut bei den Nationalratswahlen 2023

Viele Parteien in vielen Kantonen setzen auf viele Unterlisten. Eine Herausforderung für Logistik und Wählerschaft.

1.3 Prozentpunkte mehr Wähleranteil, einen zusätzlichen Sitz im Nationalrat: Die CVP (heute Die Mitte) feierte im Aargau bei den Wahlen 2019 einen kleinen Triumph. Möglicherweise hatte dieser unerwartete Erfolg auch mit einem «Trick» zu tun: Die Mitte trat damals mit sage und schreibe neun Listen an. Insgesamt hatte sie so 127 Kandidierende ins Rennen geschickt.

Wie funktioniert der «Unterlisten-Trick»?

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Legende: Aktuell nominieren viele Kantonalparteien ihre Kandidatinnen und Kandidaten für die Nationalratswahlen. Es werden immer mehr. (Im Bild eine SP-Delegiertenversammlung im Kanton Zürich 2019) Keystone/Walter Bieri

Je mehr Kandidierende, desto eher finden Wählerinnen und Wähler jemanden, den sie auf den Wahlzettel schreiben möchten. So die Überlegung der Parteien, welche möglichst viele Listen und damit eben auch möglichst viele Plätze für Kandidatinnen und Kandidaten haben wollen.

Die mathematische Überlegung dahinter: Alle Stimmen von Unterlisten kommen schliesslich der «Stammliste», also der Hauptliste der Partei, zugute. Auch wenn niemand Nationalrätin oder Nationalrat wird von den Jungparteien, der Seniorenliste oder einer regionalen Unterliste: Deren Stimmen zählen für die Partei und verbessern das Resultat insgesamt.

Laut Politikberater Mark Balsiger fehlt bisher allerdings der wissenschaftliche Beweis dafür, dass Parteien damit tatsächlich mehr Wählerinnen und Wähler finden und ihre Wähleranteile erhöhen können. Er verglich die Methode bereits 2019 gegenüber SRF mit der Fischerei. Damals hatte die Aargauer CVP 127 Kandidierende auf insgesamt neun Listen.

«Stellen Sie sich vor, am Morgen früh stechen neun Boote in den See, mit 127 Fischerinnen und Fischern an Bord. Jede und jeder hält ein kleines Fischernetz. Der gesamte Fang ist am Schluss allenfalls grösser, als wenn nur ein einziges Boot mit 16 Fischern losgefahren wäre, auch wenn diese 16 Fischerinnen und Fischer grössere Netze haben und genau wissen, wie man fischt.»

Unterlisten für Bauern, für Seniorinnen, für Junge, für Vertreterinnen von Gemeindebehörden, für bestimmte Regionen: Der Fantasie der Parteien sind kaum Grenzen gesetzt. Dieses Modell scheint nun – zumindest teilweise – Schule zu machen. Aktuell nominieren viele Parteien in den Kantonen ihre Kandidierenden für den Nationalrat.

Noch ist keine abschliessende Übersicht möglich, aber es zeichnet sich ab: Bei den eidgenössischen Wahlen im Herbst wird es noch einmal mehr Listen und noch mehr Kandidierende geben als bisher. Damit setzt sich der Trend der letzten Jahre ungebrochen fort oder verstärkt sich sogar.

Die Aargauer FDP hat bereits entschieden: Sie tritt mit sechs Listen an. Damit schicken allein die Aargauer Freisinnigen 96 Kandidierende für die Nationalratswahlen ins Rennen. Die Mitte im Kanton Thurgau will sogar mit insgesamt zehn Listen antreten, das entspricht hier 60 Kandidierenden.

Staatskanzleien rechnen mit noch mehr Listen

Die Staatskanzleien in Frauenfeld und Aarau rechnen denn auch mit mehr Kandidierenden. «2019 hatten wir insgesamt 23 Listen. Aufgrund von Vorankündigungen in den Medien könnten es 2023 allenfalls 30 bis 35 Listen sein», schreibt der Thurgauer Staatsschreiber Paul Roth. Die Aargauer Wahlleiterin Annina Sax rechnet sogar mit rund 50 Listen, 2019 waren es noch 36.

Auch in den Kantonen St. Gallen und Solothurn rechnen die Behörden mit einer «leichten Zunahme der Anzahl Listen». Wahlleiterin Pascale von Roll in Solothurn zum Beispiel rechnet mit 30 bis 35 Listen statt der 29, die es vor vier Jahren waren.

Der Auslöser für die «Listenflut»

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Parteien und Gruppierungen, die bei den Nationalratswahlen antreten, müssen jede Wahlliste von 100 bis 400 Stimmberechtigten (je nach Kanton) unterzeichnen lassen. Das verursacht einen grossen Aufwand.

Seit 2015 allerdings fällt diese Hürde für «etablierte» Parteien weg. Konkret sind alle bereits im Nationalrat vertretenen Parteien sowie diejenigen, welche bei den letzten Wahlen mindestens 3 Prozent der Stimmen geholt haben, davon ausgenommen.

Diese Erleichterung im Gesetz über die politischen Rechte hat dazu geführt, dass Parteien nun relativ leicht eine grosse Anzahl Unterlisten aufstellen können. Sie müssen zwar ausreichend Kandidierende finden, aber nicht auch noch Hunderte von Unterzeichnerinnen und Unterzeichnern.

Die Behörden in Bern, Zürich und Chur wagen zum aktuellen Zeitpunkt noch keine Prognosen. Die Berner Staatskanzlei weist aber auch darauf hin, dass die Anzahl Listen und Kandidierende bereits in den letzten Jahren gestiegen sei.

Neue Einschränkungen für Wahlwerbung

Das Wahlvolk hat also eine grosse Auswahl. Um die Entscheidung zu erleichtern, können Parteien in einigen Kantonen zusammen mit den Wahlunterlagen auch Werbeprospekte verschicken lassen. Beispielsweise im Aargau wurden die Vorschriften dafür nun aber verschärft.

Maximal noch zwei Flyer pro Partei sind zugelassen, unabhängig davon, wie viele Listen eine Partei aufstellt, sagt Wahlleiterin Annina Sax. «Die Couverts für Wahlwerbung dürfen nicht zu dick sein, sonst steigen die Portokosten massiv.»

Werbeflyer liegen auf einem Tisch, im Hintergrund Menschen mit Namensschildern
Legende: Mit der Zahl der Listen steigt theoretisch auch die Menge an Wahlwerbung. Doch die Kantone schränkten dies teilweise ein. (Im Bild Werbeflyer der CVP in Genf, 2019) Keystone/MARTIAL TREZZINI

Auch die Berner Regierung hat Einschränkungen verfügt. Hier zählt das Gewicht, wie Moritz Zaugg von der Staatskanzlei erklärt: «Der Regierungsrat hat für die Nationalratswahlen 2023 tiefere Limiten beschlossen. Pro Partei sind höchstens 30 Gramm zugelassen.»

Die Parteien setzen also auf eine grosse Zahl von Kandidierenden. Das ist eine logistische Herausforderung für die Wahlbüros. Und eine grosse Aufgabe für Sie als Wählerin oder Wähler: Sie haben die Qual der Wahl.

SRF1 Regionaljournal Aargau Solothurn, 03.04.2023, 06:31 Uhr;

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