Worum geht es? Alleinstehende Frauen sollen legal Zugang zur Samenspende erhalten: Das fordern Nationalrätinnen und Nationalräte aus den sechs grössten Parteien. In einer konzertierten Aktion haben sie im Bundeshaus sechs gleichlautende Vorstösse eingereicht. Bald fallen die ersten politischen Entscheide. Treibende Kraft hinter der Forderung ist der Verein «Maman Solo» für Single-Frauen mit Kinderwunsch. Das Wohl eines Kindes hänge nicht vom familiären Status ab, sondern von Zuneigung, Aufmerksamkeit und Stabilität, sagen die Befürworterinnen.
Welche Regeln gelten heute? Zurzeit haben nur Ehepaare Anrecht auf eine Samenspende (siehe Textbox). Dabei spielt es keine Rolle, ob ein Ehepaar hetero- oder homosexuell ist. Single-Frauen müssen für eine Samenspende ins Ausland reisen und dafür hohe Kosten in Kauf nehmen. Tasha Rumley vom Verein «Maman Solo» schätzt, dass mehrere Hundert Frauen bereits für eine Samenspende ins Ausland gegangen sind oder dies erwägen.
Von SVP- bis Grünen-Politikerinnen – wie kommt es zu dieser breiten Allianz? Die Initiative kommt aus der Westschweiz, wo der Verein «Maman Solo» aktiv ist. Bei SP und Grünen ist ein bedeutender Teil der Fraktion an Bord. Demgegenüber steht SVP-Vizepräsidentin Céline Amaudruz in ihrer Partei fast alleine da – sie konnte nur einen Parteikollegen überzeugen.
Das ethische Dilemma: Der ethische Konflikt zeigt sich in der Mitte-Partei, die gespalten ist. Mitte-Nationalrätin Nicole Barandun will die Samenspende zulassen: «Es geht um den Schutz der Frauen und der Kinder. Wir sollten die Augen nicht vor der Realität verschliessen und die Frauen ins Ausland reisen lassen.» Eine Samenspende im Ausland sei teuer und unter Umständen gesundheitlich riskant. Zudem hätten in der Schweiz mit Samenspende gezeugte Kinder mehr Rechte. Ab dem Alter von 18 Jahren dürfen sie die Identität des Spenders erfahren. Spanien, ein häufiges Zielland für Frauen mit Kinderwunsch, kennt dieses Recht nicht. «Das Recht, die Identität des Spenders zu kennen, ist enorm wichtig für die Betroffenen», sagt Barandun.
Mitte-Nationalrätin Regina Durrer-Knobel hingegen sagt, sie verstehe alleinstehende Frauen mit Kinderwunsch. Sie wisse auch, dass die Realität immer häufiger nicht dem Wunschbild einer Familie mit zwei Elternteilen entspreche. Auch habe sie die Ehe für alle unterstützt. «Doch bei der Samenspende für Alleinstehende ziehe ich eine rote Linie», sagt Durrer-Knobel. Sie befürchte, dass sich daraus gleich die nächste Forderung ergebe. Konkret, dass auch alleinstehende Männer Zugang zur Fortpflanzungsmedizin und somit eine Legalisierung der Leihmutterschaft verlangen würden.
Wie geht es weiter? Ursprünglich hätte die zuständige Nationalratskommission diese Woche entscheiden sollen. Das Thema wurde allerdings vertagt. Das Anliegen hat im Nationalrat angesichts der breiten Allianz gute Chancen. Im Ständerat ist die Ausgangslage offen, weil dort die Mitte-Partei stark ist und Ständerätinnen und Ständeräte in der Tendenz konservativer sind. Es wartet zudem noch eine juristische Hürde: Die Bundesverfassung erlaubt Samenspenden nur bei Unfruchtbarkeit. Das sei bei alleinstehenden Frauen nicht erfüllt, so der Bundesrat – er lehnt den Zugang für Single-Frauen daher ab. Die Befürworterinnen argumentieren, dass alleinstehende Frauen «sozial unfruchtbar» seien und somit das Kriterium erfüllten. Mit einer ähnlichen Begründung wurde vor wenigen Jahren auch die Samenspende für lesbische Ehepaare erlaubt.