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Eine dunkelhaarige Frau redet.
Legende: Bruderer: «Für mich ist das Privatleben immer wichtig gewesen.» Keystone

Bruderer tritt nicht mehr an «Bundesrätin war nie mein Ziel»

Überraschend hat SP-Ständerätin Pascale Bruderer am Donnerstagabend bekanntgegeben, dass sie zu den eidgenössischen Wahlen 2019 nicht mehr antreten werde. Im Interview mit SRF spricht die Politikerin über ihre Beweggründe und allfällige Zukunftsplanungen.

SRF News: Pascale Bruderer, warum haben Sie sich dazu entschlossen, Ende der Legislatur zurückzutreten?

Pascale Bruderer: Es sind jetzt 20 Jahre, seit ich in der Politik bin. Sechs Jahre kommunal und kantonal und jetzt auch viereinhalb Legislaturen im nationalen Parlament. Das ist eine sehr lange Zeit – es ist eigentlich mein halbes Leben. Bisher ist für mich immer klar gewesen: So gerne und mit so viel Freude ich Politik auch betreibe, es kommt eine Zeit danach, in der ich andere Projekte habe und andere Pläne verfolge.

Warum geben Sie den Rücktritt gerade jetzt bekannt?

Im Dialog mit verschiedenen Menschen und auch mit der Partei ist mir klar geworden, dass die Partei auch Zeit braucht, um eine personelle Neuplanung zu machen. Sie braucht Zeit, um Gespräche zu führen, die auch transparent geführt werden sollten. Nachdem ich mich definitiv entschieden hatte, gab es keinen Grund mehr, das für mich zu behalten.

Die SP Aargau und ich hatten es nicht immer einfach miteinander.

Wichtig war für mich auch, der SP Aargau dies zuallererst mitteilen zu können. Wir hatten es nicht immer einfach miteinander; weder die Partei mit mir, noch ich mit der Partei. Aber wir haben immer einen Weg gefunden, die Probleme zu lösen, ohne dass es eskaliert wäre und ohne dass die persönliche Profilierung im Vordergrund gestanden hätte.

Sie gehören ja zum sogenannten Reformflügel in der SP. Da sind Sie nicht immer auf der Parteilinie. Fühlten Sie sich dadurch auch ein wenig ausgegrenzt?

Überhaupt nicht. Einen solchen Moment hat es nicht ein Mal gegeben. Im Gegenteil, es sind ja auch nur wenige Momente gewesen, in denen ich mich nicht einverstanden erklärt habe mit der Partei-Meinung. Bei den allermeisten Themen bin ich absolut gleicher Meinung. Ich musste mich nie verbiegen, das war mir wichtig. Und in diesen Momenten bin ich auch hingestanden und habe meine persönliche Meinung vertreten.

Die SP Aargau und ich haben einen super Dialog gehabt und ich hatte meine Freiräume. Ich bin überzeugt – und diese Überzeugung teile ich mit der Parteileitung der SP Aargau – dass wir in der SP Platz haben für eine Vielfalt von Meinungen. Wir haben verschiedene Strömungen und Flügel in der Partei. Die sollen auch ihren Platz haben. Die Vielfalt und Breite ist nicht das Problem der SP, im Gegenteil – das ist unsere Stärke. Und deshalb habe ich mich stark dafür eingesetzt, dass auch der sozialliberale Flügel, zu dem ich gehöre, in der Öffentlichkeit wahrgenommen wird.

Eine Frau spricht in ein SRF-Mikrofon.
Legende: «Wir haben das Glück in der SP Aargau, dass die Partei hervorragend aufgestellt ist.» Keystone

Sie sind ja auch das Aushängeschild der SP Aargau. Was sind nun die Konsequenzen Ihres Rücktritts für die Partei?

Ein Rücktritt ist immer auch ein dynamisierender Moment, der Platz und Raum schafft für neue Kräfte. Und wir haben das Glück in der SP Aargau, dass die Partei hervorragend thematisch aufgestellt ist und gut verankert ist in der Bevölkerung. Es gibt sehr viele Persönlichkeiten, die kompetent und motiviert sind. Die haben jetzt die Möglichkeiten, den Freiraum zu nutzen.

Seit 20 Jahren machen Sie Politik: Zuerst im Einwohnerrat in Baden, dann im Aargauer Grossen Rat, im National- und schliesslich im Ständerat. Logische Konsequenz wäre doch da der Bundesrat. Das vergeben Sie doch jetzt.

Vergeben ist das nicht, und es war auch nie mein Ziel. Das hat vielleicht auch damit zu tun, dass ich so nahe an Bundesrätinnen und Bundesräten bin, dass ich auch sehe, wie man damit sein Privatleben ziemlich aufgibt. Für mich ist das Privatleben aber immer wichtig gewesen. Mir ist immer klar gewesen: es gibt ein Leben nach der Politik. So hat es für mich auch immer ein Leben neben der Politik gegeben. Das wäre schwierig in einem solchen Amt. Und darum habe ich auch nie darauf geschielt.

Sie sind 40 Jahre alt. Da fangen viele erst mit ihrer Karriere an, gerade auf dem politischen Parkett. Wie geht es jetzt mit Ihnen weiter?

Ich bin völlig offen. Ich habe keine konkreten Pläne. Für mich ist jetzt auch ganz wichtig, dass ich Kraft und Energie weiter bündeln kann für meine Arbeit im Ständerat. Da gibt es noch so viel zu tun und ich mache die Arbeit so gerne, dass diese jetzt noch ganz klar im Fokus steht. Gleichzeitig werde ich die Zeit auch nutzen, mir über meine vielen Ideen und Plänen klarer zu werden. Dieser Entscheid ist ganz bewusst noch nicht gefallen. Ich werde jetzt auch nichts überstürzen.

Für ein allfälliges Regierungsratsamt stehe ich nicht zur Verfügung.

Aber ein politisches Amt ist für Sie im Augenblick sicher ausgeschlossen?

So konsequent, wie ich mich in den letzten zwei Jahrzehnten der Politik gewidmet habe, so konsequent werde ich die neue Orientierung anpacken. Ja, das bedeutet auch, dass ich beispielsweise für ein allfälliges Regierungsratsamt nicht zur Verfügung stehe.

Schauen wir noch mal zurück: Was sind Ihre grössten Erfolge gewesen und vielleicht auch die grössten Misserfolge in Ihren 20 Jahren als Politikerin?

Der Zufall will es, dass Moritz Leuenberger, der heute mit uns über «No Billag» diskutiert hat, das Radio- und Fernsehgesetz erwähnt hat. Darin gibt es eine Verpflichtung für die SRG, die Aufbereitung von Sendungen für sinnesbehinderte Menschen sicherzustellen. Dieser Passus geht zurück auf einen meiner allerersten Anträge im Parlament.

Das hat dazu geführt, dass etwa die Tagesschau in Gebärdensprache übersetzt wird und dass viele Sendungen untertitelt werden. Und das viel mehr, als es früher noch der Fall gewesen ist. Das ist für Journalisten vielleicht nur ein kleines Beispiel. Wenn ich aber betroffene Leute auf der Strasse sehe, die seither Zugang haben zur politischen Meinungsbildung und zur politischen Information, dann spüre ich, wie wichtig Politik auch im Kleinen ist.

Das hat mir wieder vor Augen geführt, dass es die ganz grossen Würfe gibt, die aber selten auf jemanden allein zurückzuführen sind. Das ist immer Teamwork. Aber es gibt daneben auch kleine, entscheidende Erfolge, die wichtig sind für einzelne Menschen. Entscheide, die im Grossen und Ganzen manchmal nur nach etwas Kleinem ausschauen.

Gibt es auch etwas, was Sie fuchst, dass Sie es nicht durchbringen konnten?

Ja. Ich habe mich mit vollem Elan für die «Altersvorsorge 2020» eingesetzt, worüber wir vor wenigen Monaten abgestimmt haben. Selbstverständlich ist das etwas, was ich mir anders gewünscht hätte. Und wo ich jetzt auch gerne bei der Neuauflage mitarbeiten würde. Aber das ist das Leben.

Das Gespräch führte Mario Gutknecht.

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