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Bundesfinanzen Bundesrat will rund vier Milliarden Franken einsparen

Darum geht es: Mit einem umfassenden Massnahmenpaket plant die Landesregierung, den Bundeshaushalt wieder ins Lot zu bringen. Ab 2027 will sie das Budget um 3.6 Milliarden Franken entlasten. Ab 2030 sollen es dann 4.6 Milliarden Franken sein. Längerfristig ins Gewicht fällt der Verzicht auf die Bundesbeiträge für die familienergänzende Kinderbetreuung. Nicht betroffen sein soll die Armee. Insgesamt sechzig Massnahmen zählt der Bundesrat auf der Liste mit dem Titel «Massnahmen Aufgaben- und Subventionsüberprüfung» auf. Basis für die Vorschläge war der Anfang September präsentierte Bericht einer Expertengruppe.

Drei Personen sprechen bei einer Konferenz, Schweiz-Fahne im Hintergrund.
Legende: Die Landesregierung plant mit umfassenden Massnahmenpaketen, den Bundeshaushalt wieder ins Lot zu bringen. Keystone/Anthony Anex

Familienergänzende Kinderbetreuung: Der geplante Verzicht auf die Bundesbeiträge für die familienergänzende Kinderbetreuung fällt längerfristig am meisten ins Gewicht. Dies soll das Bundesbudget ab 2030 um fast 900 Millionen Franken jährlich entlasten. Eine halbe Milliarde Franken pro Jahr will der Bundesrat mit der Verkürzung der Integrationspauschale für Flüchtlinge auf vier Jahre einsparen.

Weitere grössere potenzielle Sparposten: Der Verzicht bei Klimaschutz-Subventionen, etwa für das Gebäudeprogramm (400 Millionen Franken), das Einfrieren der Ausgaben für die Entwicklungshilfe (313 Millionen Franken), Massnahmen innerhalb der Bundesverwaltung (305 Millionen Franken), die Kürzung der Einlagen in den Bahninfrastrukturfonds (200 Millionen Franken), Beiträge an den Nationalfonds (145 Millionen Franken).

Rösti: «Klimapolitik soll wie geplant fortgesetzt werden»

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Laut Umwelt- und Energieminister Albert Rösti werden die kürzlich getroffenen Volksentscheide von den Kürzungen nicht tangiert. Die beschlossene Klimapolitik werde wie geplant fortgesetzt.

Der Bundesrat stehe zu seinen Verpflichtungen, sagte Rösti in Bern vor den Medien. Obschon kürzlich ein Expertenbericht Kürzungen beim Klimagesetz vorschlug, werde der Bundesrat die Ziele des Klima- und Innovationsgesetzes, welches letztes Jahr von der Stimmbevölkerung beschlossen wurde, respektieren.

Die vorgeschlagene Einsparung von 400 Millionen Franken werde nun beim Gebäudeprogramm erfolgen. Dieses Programm habe seinen Dienst geleistet und könne zurückgefahren werden, sagte Rösti.

Auch weitere Massnahmen, wie beispielsweise von der Pflegeinitiative gefordert, seien berücksichtigt worden. Der Expertenbericht habe bewusst auch diese Posten geprüft.

Auch die Güterverkehrsvorlage sei vom Bundesrat nicht berücksichtigt worden. Der Entscheid darüber liege aktuell beim Parlament. Der Bundesrat werde auf die möglichen Einsparungen hinweisen, aber das Geschäft liege in den Händen der eidgenössischen Räte. 

Rösti lobt die Schuldenbremse

Im internationalen Vergleich stehe die Schweiz bezüglich der Verschuldung sehr gut da, sagte Rösti. Ein Grund dafür sei die staatspolitische Verantwortung. Die im Jahr 2001 vom Stimmvolk angenommene Schuldenbremse verlange eine verantwortungsvolle Finanzpolitik.

Das Instrument gebe zur richtigen Zeit Spielraum und verlange zur richtigen Zeit Disziplin. Der tiefe Schuldenstand habe dem Bund während der Pandemie ausserordentliche Ausgaben ermöglicht. Auch in Zukunft seien solche Ausgaben noch möglich. Rösti erinnerte dabei an die Unwetterereignisse im Sommer.

Armee ausgenommen: Nicht auf der Liste der Sparvorschläge figuriert die Armee. Würden die Armeeausgaben weniger schnell erhöht und der Wiederaufbau der Fähigkeiten zur Verteidigung gebremst, müsste in anderen Politikbereichen weniger gespart werden, gab die Expertengruppe Anfang September bekannt. Davon will der Bundesrat offenbar nichts wissen.

Verzichten will der Bundesrat auch auf die Streichung des Förderbeitrags für den Güterverkehr oder die Wohnbauförderung. Der Entscheid darüber liege aktuell beim Parlament. Der Bundesrat werde auf die möglichen Einsparungen hinweisen, aber das Geschäft liege in den Händen der eidgenössischen Räte. Teilweise verweist er auf hängige Vorlagen im Parlament, teilweise auf Volksentscheide, die es zu akzeptieren gelte.

Auf der Einnahmenseite: Der Bundesrat plant nur zwei zusätzliche Massnahmen im Umfang von rund 300 Millionen Franken im Jahr 2028: So sollen Kapitalbezüge aus der zweiten und dritten Säule künftig höher besteuert werden. Zudem prüft der Bundesrat, neu alle Importkontingente für landwirtschaftliche Güter zu versteigern, was ebenfalls zu Mehreinnahmen führen könnte.

Keller-Sutter: «Bund hat ein Ausgaben- und kein Einnahmenproblem»

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Laut Finanzministerin Karin Keller-Sutter kann es mit dem vom vorgelegten Sparpaket gelingen, die prognostizierten Milliardendefizite zu bereinigen und den Haushalt ins Lot zu bringen. «Der Bund hat ein Ausgaben- und kein Einnahmenproblem.»

Die Vorschläge der Landesregierung seien umfassend, ausgewogen und sie nähmen Rücksicht auf Volksentscheide, die Kantone und das Parlament, sagte Keller-Sutter. Es gelte, eine übermässige Belastung der Steuerzahlenden zu vermeiden. Mit bereits umgesetzten oder noch geplanten Steuerreformen generiere der Bund künftig jährlich über 7 Milliarden Franken an Einnahmen.

Demokratische Entscheide wie das Ja zum Klimaschutzgesetz seien vom Bundesrat bei der Erarbeitung des Sparpakets berücksichtigt worden. «Jedoch können die verabschiedeten Klimaziele mit einem effizienteren Mitteleinsatz erreicht werden», sagte Keller-Sutter.

Den Bericht der Expertengruppe bezeichnete Keller-Sutter als «gute Grundlage für die Folgearbeiten». Nach Gesprächen mit den Parteien, den Kantonen und den Sozialpartnern wolle der Bundesrat das Paket mit wenigen Änderungen in die Vernehmlassung schicken.

Zusätzlich zu den rund sechzig Massnahmen würden in den kommenden Jahren weitere hinzukommen, kündigte Keller-Sutter an. Bei der Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen gebe es noch Potenzial. Der Bundesrat wolle zum heutigen Zeitpunkt aber nicht dem laufenden Projekt «Entflechtung 27» vorgreifen.

Sozialer Bereich stark betroffen: Die Vorschläge des Bundesrats dürften in der Vernehmlassung und später im Parlament heftig diskutiert werden. Linken Kreisen dürfte vor allem die tieferen Subventionen im Klimabereich missfallen, aber auch der geplante Verzicht auf Kita-Hilfen des Bundes.

Unter den Sparhammer kommen soll auch die Förderung des Nachtzugverkehrs ins Ausland. Diese Subvention hatte das Parlament erst kürzlich bei der Revision des CO₂-Gesetzes beschlossen.

Mediengewerkschaft lehnt Streichung von Swissinfo-Beitrag ab

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Die Mediengewerkschaft Schweizer Syndikat Medienschaffender (SSM) hat sich schockiert gezeigt über die Pläne des Bundesrats hinsichtlich des Auslandangebots der SRG. Ein Verzicht auf den Bundesbeitrag von knapp 19 Millionen Franken würde faktisch das Ende der zehnsprachigen Plattform Swissinfo.ch bedeuten.

Das Auslandangebot der SRG umfasst neben Swissinfo auch die italienischsprachige Website tvsvizzera.it sowie die Zusammenarbeit mit den Fernsehsendern TV5 Monde und 3sat. Es wird zur Hälfte vom Bund und zur Hälfte von der SRG finanziert.

Durch die Streichung der Gelder für Swissinfo würden 100 Festangestellte und mehr als hundert freie Mitarbeitende auf die Strasse gestellt, so das SSM. Dies bedeute erneut einen schweren Schlag für den Medienplatz Schweiz und einen weiteren Verlust an Medienvielfalt. Man werde sich deshalb in der nun anstehenden Vernehmlassung dagegen äussern.

Swissinfo sei für Auslandschweizer eine wichtige Verbindung zu ihrem Heimatland, gab die Gewerkschaft zu bedenken. Zudem trage das Auslandsmandat der SRG massgeblich dazu bei, das internationale Ansehen der Schweiz zu stärken.

Umstritten sein dürfte auch die geplante Halbierung der Bundesbeiträge an die indirekte Presseförderung. Die Mitgliedschafts- und Stiftungspresse soll davon künftig ausgenommen werden. Die Subventionen für die Lokal- und Regionalpresse sollen gekürzt werden.

Das sind die Reaktionen

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Die FDP begrüsst die Sparvorschläge des Bundesrats als «mutigen ersten Schritt». Dennoch ist die Partei nur halb zufrieden. Sie stellt sich aber dagegen, dass die Landesregierung zur Stabilisierung der Bundesfinanzen auch auf höhere Einnahmen setzt. Stattdessen solle man noch mehr sparen. Die Schweiz habe kein Einnahme-, sondern ein Ausgabenproblem, schrieb die Partei in einem Communiqué: «Es muss nun dringend weniger Geld ausgegeben, nicht mehr Geld aus dem Portemonnaie der mittelständischen Steuerzahler gezogen werden.»

Das Communiqué überschrieben die Freisinnigen mit «Bleiben Sie sparmutig, lieber Bundesrat!» Sparpotenzial gebe es mehr als genug. Der Linken und der ihrer Meinung nach «sehr mobilen, kaum noch bürgerlichen» Mitte-Partei werfen sie vor, sie würden «bei allen Sparvorschlägen aufschreien».

Auch der Wirtschaftsdachverband Economiesuisse begrüsst die Vorschläge des Bundesrats. Weil der Bund ein Ausgabenproblem habe, sei es konsequent, auf der Ausgabenseite anzusetzen, schreibt er auf der Plattform X: «Die Wirtschaft fordert, dass die Schuldenbremse eingehalten wird und die Defizite bereinigt werden.»

Die SP kritisiert die Sparvorschläge des Bundesrats als «Kahlschlag auf Kosten der Menschen». Es handle sich um einen Angriff auf die soziale Schweiz. Diesen werde man mit aller Kraft bekämpfen. «Die angeblichen finanzpolitischen Engpässe sind neben der Aufstockung der Armee dem ideologischen Tunnelblick im Finanzdepartement geschuldet», schreibt die Partei in einem Communiqué.

Es wäre sozial verheerend, wenn bei der AHV, bei Kitas, Entwicklungszusammenarbeit und Klimaschutz gespart werde, so die SP weiter. Währenddessen würden Armee, Konzerne und Vermögende weiterhin geschont. «Jetzt rächen sich die übermässigen Steuergeschenke für Unternehmen und Reiche der letzten Jahrzehnte», liess sich SP-Co-Präsident Cédric Wermuth in der Mitteilung zitieren.

Die Grünliberalen fordern bei den Sparmassnahmen des Bundes eine klare Prioritätensetzung. Privilegien einzelner Branchen und Subventionen müssten fallen – Investitionen in die Zukunft sollten nicht auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschoben werden. In einer Stellungnahme vom Freitag begrüsste die Partei grundsätzlich die Bemühungen des Bundesrats. Sparen nach dem Motto «Die Vergangenheit weiter subventionieren, statt in die Zukunft zu investieren» werde man aber nicht unterstützen, schrieb die GLP. Stattdessen lege man den Fokus auf das Abschneiden alter Zöpfe. Als Herausforderungen der Zukunft nannte die Partei im Communiqué etwa den Fachkräftemangel, den Klimawandel und die Alterung der Gesellschaft. Die Grünliberalen befürchten nach eigener Aussage, dass das Parlament bei der Beratung des Sparpakets Investitionen streicht und stattdessen Subventionen ausbaut.

Bericht der externen Expertengruppe:

SRF 4 News, 20.09.2024, 14:30 Uhr ; 

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