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Bundesrat soll Stellung nehmen Auch Schweizer verdienten an der Sklaverei

Die Rolle von Geschäftsleuten aus der Schweiz ist vor allem mit Blick auf die Vorgängerbanken der heutigen Grossbanken interessant. Soll das dunkle Kapitel weiter ausgeleuchtet werden?

Darum geht es: Einer breiten Öffentlichkeit ist wohl wenig bekannt, dass auch Schweizer Geschäftsleute mit dem atlantischen Sklavenhandel ab dem 16. Jahrhundert in Verbindung standen. Der Verkauf von Schwarzen nach Amerika war damals ein wesentlicher Bestandteil des Wirtschaftssystems. Ein Vorstoss im Nationalrat verlangt nun, dass der Bundesrat zu diesem unrühmlichen Kapitel Stellung nimmt. Im Fokus stehen die Grossbanken und die Frage, inwiefern ihre Vorgängerbanken in den Sklavenhandel involviert waren.

Auf Spurensuche in den USA: Die Spur führt zunächst in die USA. Dort wollen verschiedene Städte von ihren Geschäftspartnern wissen, ob sie je in ihrer Geschichte in Sklavenhandel verwickelt waren. Mit Interesse studiert hat diese Bestimmung der St.Galler Historiker und ehemalige Kantonsparlamentarier Hans Fässler. Er befasst sich seit längerem mit den Folgen der Sklaverei und den möglichen Verbindungen in die Schweiz. Chicago etwa verlange per Gesetz, dass Firmen ihre Sklaverei-Vergangenheit offenlegen, wenn sie mit der Stadt Geschäfte machen wollen. «Chicago hat das gegenüber verschiedenen US-Banken durchgesetzt und in einem Fall auch eine Schweizer Bank miteinbezogen, die UBS», berichtet Fässler.

Die UBS: Die Behörden in Chicago haben von der UBS eine Erklärung verlangt und diese auch erhalten, wie eine Anfrage von Radio SRF in den USA zu Tage bringt. Das Fazit des zuständigen Departements: Die Schweizer Grossbank habe nicht gegen US-Bestimmungen verstossen. Nicht weil es keinen Zusammenhang zwischen der UBS und der Sklaverei gebe, sondern weil die deklarierten Sklaverei-Verbindungen nicht die USA betreffen würden, sondern Kuba, respektive Brasilien. Die Grossbank selbst will diese Zusammenhänge nicht erläutern. Einzig ein allgemein formuliertes Statement gibt die Medienstelle dazu ab:

Stellungnahme der UBS:

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«Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass irgendein Vorgängerinstitut von UBS je in den transatlantischen Sklavenhandel involviert war oder einen direkten wirtschaftlichen Vorteil daraus generiert hat. Weder UBS noch deren Vorgängerinstitute haben sich am Sklavenhandel beteiligt oder Versicherungspolicen in Zusammenhang mit der Sklaverei ausgestellt.»

Auf Spurensuche in der Ostschweiz: Anders sieht es allerdings aus, wenn man sich die Biografien der Gründer solcher Vorgängerbanken anschaut. Die Spur führt diesmal in die Ostschweiz, zum längst verstorbenen St.Galler Unternehmer Jakob Laurenz Gsell. Er war der Begründer der Deutsch-Schweizerischen Kreditbank im Jahr 1856. Aus privaten Briefwechseln ist bekannt, dass er vor der Gründung der Bank in Brasilien Sklaven beschäftigte. Der zweite Ostschweizer Fall: Johann Ulrich Zellweger, Gründer der Bank für Appenzell Ausserrhoden 1866. Vor seiner Geschäftstätigkeit und dem Engagement für die Basler Mission hatte er auf Kuba auf einer Zuckerplantage Geld verdient, wo auch Sklaven eingesetzt wurden.

Dutzende Sklaven stehen vor zwei Häusern
Legende: Sklaven im US-Bundesstaat South Carolina im Jahr 1861. Imago/United Archives International

Die Parallelen: Die Sklaverei-Verbindungen betreffen die Jahre vor der Gründung jener Vorgängerbanken. Deshalb sieht sich die UBS – wie sie in ihrem Statement schreibt – nicht in der Verantwortung. Sollen solche Verstrickungen dennoch gegenüber der Öffentlichkeit deklariert werden, oder sind die Zusammenhänge konstruiert?

Recht und Moral: Rainer J. Schweizer, emeritierter Staatsrechtsprofessor hat dazu eine klare Haltung: Schweizer Grossbanken hätten zwar keine rechtliche, aber eine moralische Verpflichtung. Die komplexen wirtschaftliche Vorgänge in der damaligen Zeit könnten auch zum besseren Verständnis der Gegenwart beitragen: Wie eben gleichsam transnationale Geschäft etwa mit der Baumwolle abgelaufen seien und sich die Schweizer Baumwollindustrie oder Schweizer Handelsfirmen an diesen Geschäften und Plantagen beteiligt hätten.

Weitere Forschung zu Sklavengeschäften? Mit der Zustimmung zu den Abschlussakten des Wiener-Kongresses habe sich die Schweiz 1815 verpflichtet, im weltweiten Kampf gegen Sklaverei aktiv zu werden. Klar ist: Das Thema Sklaverei tangiert nicht nur die UBS. Die Credit Suisse etwa stand nach der Übernahme der Bank Leu im Fokus. Die Zinskommission Leu war Ende des 18. Jahrhunderts an einem Handelsunternehmen beteiligt, das laut Historikern tausende Menschen aus Afrika deportierte. Inwiefern die Banken und auch Versicherungen ihre Archive weiter durchleuchten sollen, um weitere mögliche Verbindungen zum Sklavenhandel aufzuzeigen, ist offen: Der Bundesrat wird in seiner Antwort zum aktuellen Vorstoss im Parlament Stellung beziehen.

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