Die SP-Fraktion hat am Vorabend der Bundesratswahlen einstimmig entschieden, den Tessiner Lega-Politiker Gobbi nicht zu wählen, sagte Fraktionschef Roger Nordmann (SP/VD) nach den Hearings mit den drei nominierten SVP-Kandidaten vor den Bundeshausmedien. Die Fraktion hat noch nicht entschieden, ob sie einen offiziellen SVP-Kandidaten in den Bundesrat wählt.
Aus Sicht der SP-Fraktion ist der Tessiner Gobbi wegen seiner Lega-Herkunft nicht wählbar. Die Lega rede die Institutionen schlecht und verbreite rassistische Äusserungen, stellte Nordmann fest. «Der Einzug solcher Methoden wäre fatal für unsere politische Kultur», sagte SP-Präsident Christian Levrat. Deshalb werde die SP die Wahl Gobbis in den Bundesrat mit aller Kraft bekämpfen.
Enttäuschung über Kandidaten
Ob die Fraktion Guy Parmelin oder Thomas Aeschi unterstützt, hat sie noch nicht entschieden. Levrat zeigte sich allerdings enttäuscht von den Kandidaten. Die Hearings hätten die Schwächen der SVP zutage gefördert, sagte er. «Mit allem Respekt, den man Kollegen schuldet, muss man doch sagen, dass es alles andere als berauschend war.»
Der Mehrheit der SP-Fraktion komme Aeschi wie der Ziehsohn von Christoph Blocher und Hans-Rudolf Merz vor. Mit seinen 36 Jahren und seiner Erfahrung als Berater scheine er ein etwas gar kleiner Rucksack zu haben, um in den Bundesrat gewählt zu werden.
Sprengkandidat noch möglich
Den Auftritt von Parmelin bezeichnete Levrat als «unpräzise und farblos». Er erwähnte auch die Sprachkenntnisse. «Wir haben nicht gewagt, Fragen in Englisch zu stellen», sagte der SP-Präsident.
Es sei aber «nicht unvorstellbar», dass die Fraktion einen der beiden wähle. Der Entscheid falle erst am Mittwochmorgen. Dann dürfte die SP auch definitiv entscheiden, ob sie doch noch einen Sprengkandidaten ins Spiel bringen will. Diese Option hat sich die Fraktion nämlich ebenfalls noch offengehalten.
Blick in die Regionen
Am Abend vor der Wahl fühlte «Schweiz aktuell» den Puls bei den SRF-Korrespondenten in den Regionen. So meinte Zentralschweiz-Korrespondent Raphael Prinz, dass die Region schon lange auf einen möglichen Bundesrat warte. «Auf der anderen Seite muss man auch sagen, dass Thomas Aeschi nicht vorbehaltslos unterstützt wird. Er wäre eine ganz neue Generation von Bundesrat aus der Zentralschweiz – vom Alter her, von seiner Herkunft und vor allem wäre er ein SVPler.»
Im Tessin wartet man schon lange auf einen Vertreter der italienischen Schweiz, meint SRF-Korrespondent Daniel Schäfer: «Nach 16 Jahren hätte sicher eine Mehrheit Freude, wen ein Tessiner Mitglied der Regierung wäre. Man darf aber auch nicht meinen, dass alle Norman Gobbi zujubeln.» Aber Gobbi wisse über die Probleme von diesem Kanton Bescheid. «Falls Gobbi gewählt wird, werden im ganzen Kanton Tessin die Kirchenglocken läuten», berichtet Schäfer.
In der Westschweiz halte sich die Begeisterung für einen Bundesrat Guy Parmelin in Grenzen, erklärt indessen SRF-Korrespondentin Alexandra Gubser. «Er ist zwar schon der ‹g'mögige› Weinbauer, der wegen seiner Umgänglichkeit und Kollegialität weitum geschätzt ist.» Daraus zu schliessen, dass Parmelin die Westschweizer Interessen vereinen würde, wäre doch ein wenig übertrieben. «Man könnte also sagen: für nicht wenige wäre ein Bundesrat Parmelin ein ‹cadeau empoisonné›, also ein vergiftetes Geschenk.»