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Burkhalter-Nachfolge Die Nichtwahl von Cassis wäre eine Ohrfeige für das Tessin

Zwei Männer und eine Frau aus der FDP stellen sich für die Nachfolge von Bundesrat Didier Burkhalter zur Verfügung: Ein Vertreter aus dem Kanton Tessin und zwei aus der Romandie. Wer hat die besten Chancen? Eine Einschätzung.

Mit Ignazio Cassis stellt die FDP aus dem Kanton Tessin einen Topkandidaten. Seit zehn Jahren im Nationalrat, kennt Cassis die Mechanismen der Bundespolitik bestens. Er befindet sich als Präsident der FDP-Fraktion im Bundeshaus an einer Schaltstelle – und er ist über die Parteigrenzen hinaus bestens vernetzt. Der Tessiner fühlt sich in drei Landessprachen zuhause. Und er kommt überzeugend und sympathisch rüber, was auch nicht ganz unwesentlich ist in einem Regierungsamt.

Isabelle Moret aus dem Kanton Waadt ist sogar noch ein halbes Jahr länger Nationalrätin als ihr Kollege Cassis. Auch sie versteht es, Allianzen zu schmieden, kommt in anderen Parteien gut an. Ihr grosses Handicap ist allerdings, dass sie es nie geschafft hat, über die Romandie hinaus bekannt zu werden – und auch im Auftritt wirkt sie oft unsicher.

Philipp Burkhardt

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Burkhardt ist Leiter der Bundeshausredaktion von Radio SRF, für das er seit 15 Jahren tätig ist. Davor hatte er unter anderem für «10vor10» und die «SonntagsZeitung» gearbeitet.

Klar Aussenseiter im FDP-Kandidatentrio ist derweil der Genfer Regierungsrat Pierre Maudet, zuständig für Sicherheit und Wirtschaft in seinem Kanton. Wer nicht im Bundesparlament sitzt, hat bei Bundesratswahlen kaum Aussicht auf Erfolg. Deshalb ist davon auszugehen, dass es Maudet nicht aufs offizielle Ticket schaffen wird, welches die FDP-Bundeshausfraktion am 1. September bestimmen will.

Mit dem Zweierticket Moret/Cassis würden die Liberalen eine Auswahl bieten – das hat sich bei Bundesratswahlen in der Vergangenheit so eingebürgert. Die Vereinigte Bundesversammlung könnte zudem auswählen zwischen den beiden Geschlechtern. Damit würde die FDP insbesondere eine Forderung der Linksparteien erfüllen.

Aber eine grosse Frage stellt sich schon bei diesem Ticket: Wo bleibt die Kandidatur aus der Deutschschweiz? Die Bundesverfassung hält klar fest, bei der Wahl des Bundesrates sei darauf Rücksicht zu nehmen, «dass die Landesgegenden und Sprachregionen angemessen vertreten sind». Seit der Wahl des Waadtländers Guy Parmelin von der SVP ist die Romandie mit drei Bundesräten in der Landesregierung vertreten, das ist gemessen an der Gesamtbevölkerung ganz einfach ein Bundesrat zu viel.

Klar ausgewiesen ist der Anspruch der italienisch sprechenden Schweiz, denn diese hat seit dem Rücktritt von Flavio Cotti vor 18 Jahren nie mehr einen Bundesrat stellen können. Ignazio Cassis ist insofern ein logischer Kandidat. Bei der erwähnten Ausgangslage und dem ausgewiesenen Sitzanspruch des Tessins wäre es denn auch eine veritable Ohrfeige für die italienischsprachige Schweiz, wenn Ignazio Cassis nicht gewählt würde. Dessen ist sich die Vereinigte Bundesversammlung bewusst.

Alles andere als die Wahl des Tessiners Cassis zum Bundesrat am 20. September wäre deshalb eine riesige Überraschung.

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