SRF News: Wer ist Pierre Maudet?
Philipp Burkhardt: Wenn man es positiv formulieren will, dann ist Maudet ein dynamischer Querdenker. Wenn man ihm weniger gut gesinnt ist, dann könnte man auch von einem überehrgeizigen Querschläger sprechen. In seinem Heimatkanton kommt das gut an. Der 39-jährige Maudet hat eine beachtliche Politkarriere hinter sich: Nach nur gerade einem Jahr als Genfer Stadtpräsident ist er 2012 in die Kantonsregierung gewählt worden.
Maudet bezeichnete Ueli Maurer als grösstes Sicherheitsrisiko für die Schweiz.
Dort fällt er seither durch einen extrem autoritären Führungsstil auf. Durch eine harte «Law-and-Order»-Politik, die mehr Polizei und schärfere Grenzkontrollen fordert. Er gilt aber auch als äusserst EU-freundlich, engagiert sich gegen Dumpinglöhne oder setzt sich für Papierlose ein – also alles eher linke Anliegen. Er ist schwer fassbar, der politische Senkrechtstarter aus der Westschweiz.
Auf dem nationalen Parkett ist Maudet weitgehend unbekannt. Hat er da überhaupt eine Chance?
Nein. Für den Bundesrat scheint mir Maudet ganz einfach zu schräg zu sein. Ich mag mich an einen seiner wenigen Auftritte hier in Bundesbern vor sechs Jahren erinnern, als er den Medien grossspurig seinen einzig angeblich «wahren» Bericht zur Sicherheitspolitik vorstellte. Das grösste Sicherheitsrisiko für die Schweiz sei Ueli Maurer, sagte er damals.
Den Bundesrat bezeichnete er als «Schönwetterregierung», die Armee als «aufgebläht», die SP und die SVP würden durch «ausfällige Äusserungen» auffallen – und dann forderte er gleich noch die Abschaffung der Dienstpflicht zugunsten einer freiwilligen Milizarmee. Dass jemand mit diesem Profil in den Bundesrat kommt, halte ich für praktisch ausgeschlossen.
Die Romandie hat mit Alain Berset und Guy Parmelin weiterhin zwei Bundesräte. Da dürfte der Anspruch auf einen dritten Sitz nicht gegeben sein.
In der Tat. In der Romandie lebt gerade mal ein Viertel der Schweizer Bevölkerung. Rechnerisch hat sie also Anspruch auf höchstens zwei Bundesratssitze. In der Bundesverfassung heisst es, bei Bundesratswahlen müsse man darauf Rücksicht nehmen, «dass die Landesgegenden und Sprachregionen angemessen vertreten sind».
Die Romandie ist mit drei Bundesräten heute klar übervertreten. Dafür ist die italienischsprechende Sprachregion, der Kanton Tessin, klar untervertreten. Für eine Kandidatur aus der Westschweiz würde also höchstens sprechen, dass der Favorit aus dem Tessin, Ignazio Cassis, keine Frau ist. Denn auch die Frauen sind in der Landesregierung untervertreten.
Stand heute: Wie könnte das FDP-Ticket für die Bundesratswahl im Herbst aussehen?
Cassis ist schon mal gesetzt. Ihre Kandidatur bekannt gegeben hat zudem die Waadtländer Regierungsrätin Jacqueline de Quattro. Nationalrätin Isabelle Moret – ebenfalls aus der Waadt – ist immer noch am Überlegen. Der Waadtländer Ständerat Olivier Francais steht «zur Verfügung». Also, ich würde auf ein Zweierticket der FDP-Bundeshausfraktion mit Ignazio Cassis und Jacqueline de Quattro oder allenfalls Isabelle Moret tippen, falls diese sich doch noch zu einer Kandidatur durchringen könnte.
Und der Favorit hiesse bei diesem Szenario Ignazio Cassis?
Ganz eindeutig. Cassis sitzt seit zehn Jahren im Nationalrat. Er ist dort bestens vernetzt. Er hat Führungserfahrung als Präsident der FDP-Fraktion. Er ist perfekt dreisprachig. Der Anspruch des Tessins ist ausgewiesen. Wenn der Kandidat aus dem Süden der Schweiz nicht noch irgendwo eine Leiche im Keller versteckt hat, die in den nächsten Wochen zum Vorschein kommt, dann dürfte am 20. September das neue Mitglied der Landesregierung Ignazio Cassis heissen.
Das Gespräch führte Roman Fillinger.