Dienstag, 13. März 2012. Am Abend kurz nach 21:00 Uhr fährt ein belgischer Reisecar in Siders VS in einen Autobahntunnel. In der Mitte des Tunnels kommt der Bus vom Kurs ab und prallt frontal gegen eine Betonmauer am Ende eines Ausweichplatzes. Die schreckliche Bilanz: 28 Tote, darunter 22 Kinder.
Im Bus sassen Schulkinder aus den flämischen Städten Lommel und Heverlee. Sie waren auf der Rückreise von ihrem Skilager im Dorf Saint-Luc im Val d’Anniviers. Zu Hause freuten sich die Eltern auf die Rückkehr ihrer Kinder. Doch dann wich die Vorfreude dem Entsetzen. Am Folgetag fahren die Eltern nach Siders. Es folgen lange Stunden des bangen Wartens und die Hoffnung darauf, dass das eigene Kind unter den Überlebenden sein möge.
Das Busunglück von Siders – ein Blick zurück
Über 200 Rettungsleute waren damals vor Ort. Sie konnten 24 Kinderleben retten. Doch die traumatischen Bilder verfolgten viele über Jahre. Pfarrer Robert Zuber spendete den Familien damals Trost. Zehn Jahre später erinnert er sich an jenen Moment, den er nie vergessen werde: «Das sind die Gesichter all dieser Eltern, als sie vernommen haben, dass ihre Kinder tot sind. In diesem Moment ist ihr Leben auf den Kopf gestellt worden. Ich bete heute noch für diese Familien.»
Esther Waeber-Kalbermatten, damals Walliser Sicherheitsdirektorin, erhielt stellvertretend für die vielen Helferinnen und Helfer den belgischen Leopoldsorden verliehen. Die Alt Staatsrätin erinnert sich: «Vor allem die Eltern waren sehr froh, dass wir sie im Hotel abgeschirmt haben vor der Presse. So konnten sie zwei, drei Tage ungestört hier sein und ihre Kinder im Spital besuchen.»
Ursache ungeklärt
Drei Jahre lang dauerten die Untersuchungen durch die Walliser Ermittlungsbehörden. Am Reisecar hatten keine Mängel in der Wartung oder technische Defekte festgestellt werden können. Der Chauffeur war auch nicht zu schnell gefahren. Untersucht wurde auch der Zusammenhang einer koronaren Herzkrankheit des Busfahrers. Es gab aber keine konkreten Anhaltspunkte für einen Zusammenhang mit dem Unfall.
Von Ärztinnen und Ärzten ausgeschlossen wurde schliesslich auch die These über einen möglichen Suizid des Fahrers. Zwar hatte der Chauffeur ein Antidepressivum eingenommen, sein behandelnder Arzt hatte jedoch klargestellt, dass die Dosierung gering und sein Patient nicht selbstmordgefährdet gewesen sei.
Einstellung der Untersuchung
Letztlich verkündete Staatsanwalt Olivier Elsig: «Nachdem wir alle möglichen externen Ursachen haben ausschliessen können, bleiben uns als Unfallursache nur noch ein medizinisches Problem oder eine Unaufmerksamkeit vom Chauffeur.»
Für viele Eltern war dies keine befriedigende Antwort. Sie zogen den Fall ans Bundesgericht weiter. Dieses wies ihre Beschwerde jedoch ab. Da der Chauffeur selbst beim Unfall ums Leben gekommen sei, könne gegen ihn keine Anklage mehr erhoben werden. Das rechtfertige eine Einstellung des Falles.
Der Unfall ist nicht vergessen
Im März 2015 wurde beim Gerundensee in Siders oberhalb des Tunnels ein Denkmal eingeweiht. Dort wird diesen Sonntag eine offizielle Gedenkfeier stattfinden. Erwartet werden zahlreiche Familienangehörige. Sie kehren zurück an jenen Ort, an dem ihre Kinder vor zehn Jahren so unerwartet und brutal aus dem Leben gerissen wurden.
Warum? Diese Frage steht auch heute noch im Raum. Die Antwort von Pfarrer Robert Zuber: «Es gibt Sachen, die wird man vielleicht erst dann begreifen, wenn man selbst bei Gott ist. Bis dahin gibt es nicht auf alles eine Antwort, und das macht das Leben oft schwieriger.»