«Dear Ignazio, welcome to London» begrüsste der britische Premier Boris Johnson am Donnerstag den Schweizer Bundespräsidenten Ignazio Cassis im Gelben Salon an der 10 Downing Street. Beim 43-minütigen Gespräch lobte Johnson die enge Freundschaft und den regen Handel zwischen den beiden Ländern. Er sprach vom grossen Potenzial und davon, dass die Schweiz und die Briten ein «Britzerland» ausserhalb der EU schaffen könnten. Dies könne vor allem für Forschung und Wissenschaft bedeutend werden, schätzt Grossbritannien-Korrespondent Patrik Wülser.
SRF News: War der Besuch mehr als ein Höflichkeitsbesuch?
Patrik Wülser: Ja, es war weit mehr als ein Höflichkeitsbesuch, aber auch kein Staatsbesuch. So erklärte es mir heute ein Diplomat in Downing Street. Auf jeden Fall war es eine grosse Ehre, was die Audienz des Bundespräsidenten bei der Queen bestätigt. Warm empfangen wurde Cassis auch von Premier Johnson. Dieser lobte gewohnt humorvoll und charmant die guten Beziehungen zur Schweiz. Er lancierte hierbei das Wort «Britzerland». Nach 41 Minuten unterschrieben die Staatsmänner eine Absichtserklärung: Gespräche und Verhandlungen zu Handel, Finanzdienstleistungen, Mobilität und Forschung, die zum Teil bereits laufen, sollen weitergeführt werden.
Die Briten sprechen von einem neuen, ambitionierten Freihandelsabkommen, das die Länder gemeinsam anstreben. Wie ist das einzuordnen?
Zwischen Grossbritannien und der Schweiz gibt es ein altes Freihandelsabkommen aus den 1970er-Jahren, das nun erneuert werden soll. Doch diese Absicht ist nicht ganz neu. Die Gespräche laufen schon seit geraumer Zeit und sollen nun Ende dieses Jahres, aber eher im darauffolgenden Sommer zu Ende kommen. Mit der heutigen Erklärung werden die Gespräche nun allenfalls beschleunigt, wie Bundespräsident Cassis ausführte.
Die leicht euphorische Mitteilung der Briten ist durchaus auch im Licht zu sehen, dass sich die Früchte des Brexit bisher noch nicht so recht bemerkbar gemacht haben. Ganz im Gegenteil: Letzte Woche meldete die britische Exportwirtschaft Einbrüche. Entsprechend optimistisch werden potenzielle Freihandelsabkommen kommuniziert. Fast wichtiger erscheint mir in der neuen Absichtserklärung, künftig allenfalls in Forschung und Wissenschaft zusammenzuarbeiten. Beide Länder sind nicht mehr Teil des EU-Forschungsprogramms Horizon, verfügen aber über führende Universitäten in der Welt.
Das Gespräch führte Simone Hulliger.