- Neun von zehn Menschen auf der Welt haben noch nie ein Flugzeug betreten. Doch unter den Folgen des Flugverkehrs leiden alle: Die Maschinen stossen jährlich 800 Millionen Tonnen des klimaschädlichen CO2 aus, das sind 2,5 Prozent des gesamten weltweiten CO2-Ausstosses.
- In der Schweiz verschuldet die Luftfahrt 22 % der verkehrsbedingten CO2-Emissionen. Und der Flugverkehr wächst weltweit rasant
- Zwar können Flugpassagiere ihren CO2-Ausstoss kompensieren. Doch dies tun nur wenige.
Klimaneutral fliegen – und den CO2-Ausstoss kompensieren: Das wäre eigentlich ganz einfach, erklärt René Estermann, der Geschäftsführer der Organisation MyClimate. «Kompensieren heisst, dass ich dem CO2 einen Preis gebe – 20 bis 30 Franken pro Tonne. Eine Tonne CO2-Ausstoss geschieht zum Beispiel bei einem Flug nach Jerusalem oder nach Kairo. In die USA nach New York werden anderthalb Tonnen bei einem Retourflug ausgestossen. Mit diesem Geld realisieren wir Projekte, die wieder CO2 reduzieren.»
Also Solaranlagen oder Aufforstungen, Windkraftwerke oder Biogas-Anlagen in der Schweiz oder weltweit. Aber – kompensiert werde erst selten, bedauert Estermann. «Es sind leider erst ganz wenige Prozente, die ihre Flüge kompensieren.»
Es liegt nicht an mangelndem Interesse
Diese Erfahrung macht man auch bei der Swiss, wie der Leiter External Affairs, Jean-Pierre Tappy, weiss. «Auf unserer Plattform muss ich leider sagen, dass es enttäuschend wenig sind – das bewegt sich im Promillebereich.»
Und beim europäischen Marktführer, dem Billigflieger Easy-Jet, heisst es gar: «Vor ein paar Jahren hatten wir das als Angebot aber leider gab es dafür fast keine Nachfrage. Darum haben wir das beendet», sagt Thomas Haagensen, Chef von Easy-Jet für Deutschland, Österreich und die Schweiz.
Doch, dass nur wenige Flug-Passagiere ihren CO2-Ausstoss kompensieren wollen, das liege nicht an mangelndem Interesse, sagt René Estermann von MyClimate. «Klimaschutz und Nachhaltigkeit inklusive ist nicht mehr ein Nischenprodukt; ein Nischenverhalten, sondern das erwarten die Konsumenten und Kunden, dass der Klimaschutz mit dabei ist.»
Reiseveranstalter helfen nicht mit
Es würde an den Reiseveranstaltern und Fluggesellschaften liegen, ihre Kunden besser zu informieren und ihnen das Kompensieren so leicht wie möglich zu machen
«Das A und O ist, dass es für die Kunden einfach ist. All die Reiseveranstalter, die das fix in ihren Buchungsprozessen eingebunden haben, erreichen über 90 % Beteiligung.
Die Klimakompensation automatisch jedem Kunden zu verrechnen, ausser er wolle dies ausdrücklich nicht – das hält man hingegen bei der Swiss für keine gute Idee. «Wir möchten nicht gewisse Dinge dem Kunden unterjubeln, ohne das er wählen kann», sagt Sprecher Tappy. Zudem befinde man sich in einem scharfen Preiskampf. «Wenn wir heute im Internet schauen, dann sind ja immer die tiefsten Tarife angegeben und das verändert das Kaufverhalten vieler Leute. Der Preis ist König.»
Der Konkurrenzdruck ist immens
Anders gesagt, wenn jeder Swiss-Flug 20 oder 30 Franken teurer wäre, dann würden viele Kundinnen und Kunden eben zur Konkurrenz wechseln. «Ab 2018 werden wir aber eine Kompensationsmöglichkeit anbieten, die direkt in den Buchungsprozess integriert ist und dann werden wir sehen, ob das vereinfachte Verfahren wirklich die Leute auch ermuntert, ihre Kompensationen zu tätigen.»
Um die Treibhausgas-Emissionen zu senken, setzt die Industrie auf andere Mittel. Modernere Flugzeuge, die pro Passagier weniger Kerosin verbrauchen und entsprechend weniger CO2 ausstossen. So erklärt Thomas Haagensen von Easy-Jet: «Wir haben vor ein paar Wochen, den ersten Airbus 320 Neo mit 15 Prozent weniger CO2-Emmissionen bekommen. Davon haben wir jetzt 100 bestellt.» Und das lohne sich, nicht nur ökologisch, sondern auch finanziell. Denn «in vielen Flughäfen ist es teurer zu landen, wenn man mit einem alten Flugzeug kommt. Darum ist es viel wichtiger, die Flotte zu erneuern und in neue Technologien zu investieren.»
Doch es muss mehr getan werden
Und auch die Swiss erneuert ihre Flotte laufend und verringert so den CO2-Ausstoss pro Passagier: «In den letzten fünfzehn Jahren ist die CO2-Emmission um knapp neun Prozent gestiegen. Im gleichen Zeitraum ist die Zahl der Passagiere um 50 Prozent gestiegen.
Mehr Effizienz bringt also etwas. Doch nicht genug. Denn das Wachstum des Verkehrs frisst die Effizienzgewinne gleich wieder weg.
Wenn also das zusätzliche Wachstum des Flugverkehrs ab 2020 klimaneutral erfolgen soll, wie dies letztes Jahr die Mitglieder der Internationalen Luftfahrt-Organisation beschlossen haben, dann wird es weitere, schärfere Massnahmen brauchen. Eine Besteuerung des Kerosins etwa oder höhere Start- und Landegebühren – damit auch die Fluggesellschaften und letztlich die Passagiere einen Preis für den von ihnen verursachten CO2-Ausstoss bezahlen.