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Coronakrise Veranstalter wollen 220 Millionen Franken – geschenkt

Zwar sind ab 1. Oktober auch grössere Veranstaltungen unter Einhaltung von Schutzkonzepten in der Schweiz wieder möglich. Aber die Event- und Veranstaltungsbranche hat 2020 ein Minus von 80 Prozent des Umsatzes zu verkraften. Nun fordert die Branche 220 Millionen Franken als Überlebenshilfe.

Jörg Gantenbein

Präsident des Verbandes technischer Bühnen- und Veranstaltungsberufe

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Gantenbein ist Geschäftsführer der Veranstaltungsfirma Eventpartner. Er ist auch Präsident des Verbandes der Theater- und Bühnentechnik-Berufe (SVTB).

SRF News: Jörg Gantenbein, 220 Millionen Franken für eine Branche à fonds perdu, also geschenkt. Das ist sehr viel Geld.

Jörg Gantenbein: Das ist natürlich kein Geschenk, sondern das Mindeste, um diese Firmen am Leben zu erhalten. A fonds perdu muss es sein, denn seit sechs Monaten und nun weitere sechs Monate haben diese Unternehmen keine Erträge erwirtschaften können. Kredite genügen nicht, irgendwann sind die Fixkosten so hoch, dass man das Geschäft nicht mehr tragen kann.

Viele dieser Betriebe haben also auch Covid-Kredite erhalten?

Ja, aber niemand konnte absehen, wie lange die Pandemie dauert. Und das sind ja alles gesunde Unternehmen, das ist nicht ein Fass ohne Boden. Die Ertragsausfälle müssen aufgefangen werden, sonst wird eine ganze Branche wegsterben.

Weshalb soll die Allgemeinheit verschiedenen Betrieben Geld schenken?

Es sind Überbrückungszahlungen, damit die Firmen überhaupt da sind, wenn die Pandemie einmal vorbei ist. Das ist schlicht günstiger, als wenn eine ganze Branche Pleite geht und Tausende von Arbeitsplätzen wegfallen.

Auch die Gastro- oder Tourismus-Branchen leiden enorm unter der Pandemie. Ihnen fehlen ebenfalls Dutzende Millionen Franken Einnahmen.

Ja, das ist so. Es ist zum Glück – wie bei uns – nicht bei allen Betrieben so, dass sie Geld brauchen. Wir reden nur über Härtefälle! Im Tourismus zum Beispiel gibt es Destinationen, die halbwegs überleben können, etwa in den Bergen. Auch bei uns gibt es Ausnahmen: Betriebe, die noch Umsatz machen und kein Härtefall sind. Geld sollen nur Firmen erhalten, die dieses Jahr weniger als 60 Prozent des Bruttoumsatzes des letzten Jahres verdienen.

Wie sieht die Situation heute in Ihrem Betrieb aus?

Wir machen zirka 70 Prozent des Umsatzes des letzten Jahres, sind also noch kein Härtefall.

Weshalb gelingt Ihnen das?

Wir sind mit unseren 43 Angestellten diversifiziert aufgestellt und arbeiten in vielen Bereichen. Aber auch ein Minus von 30 Prozent ist nicht lustig. Ich habe selber aus meinem Vermögen Geld eingeschossen, damit ich niemanden entlassen muss.

Im Covid-19-Gesetz, dass gerade im Parlament beraten wird, ist eine Härtefall-Klausel vorgesehen. Firmen, deren Umsatz unter 60 Prozent der Vorjahre sinkt, sollen unterstützt werden, wobei die Gesamtvermögenssituation berücksichtigt würde und nur Geld fliesst, wenn der jeweilige Kanton die Hälfte der Hilfe beisteuert. Genügt das?

So, wie es heute im Gesetz steht, ist das OK. Ob es am Schluss genügt, wissen wir nicht, denn niemand weiss, wann die Pandemie zu Ende ist, wann wir also wieder Planungssicherheit haben.

Die Forderung nach dieser Härtefall-Klausel war in der Politik anfänglich umstritten, nun scheint sie eine Mehrheit zu finden. Ist das klassische Lobbyarbeit seitens der Veranstaltungsbranche?

Es war wichtig, dass wir als ganze Branche zusammengestanden sind und gelernt haben, auch, was politische Arbeit heisst. Wir haben über den Sommer alle hart gearbeitet und versucht, in der Politik etwas zu erreichen. Bitte vergessen Sie nicht: Wir sind nicht eine kleine Sparte, wir sind ein Wirtschaftszweig. Der ganze Veranstaltungsbereich mit seinen Wertschöpfungsketten umfasst schlussendlich über 200'000 Angestellte.

Das Gespräch führte Michael Perricone.

Tagesschau, 17.09.2020, 18:00 Uhr ; 

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