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Coronavirus Kinder und Corona: Wie geht es nach den Sommerferien weiter?

Wie stark sind Kinder durch das Coronavirus gefährdet? Und: sind sie es überhaupt? Mit solchen Fragen mussten und müssen sich Eltern rumschlagen. Es geht um zum Teil sehr emotionale Auseinandersetzungen – und darum, wie stark die Eltern ihre Kinder einschränken sollen, um sie vor dem Virus zu beschützen.

300 hospitalisierte Kinder – auch vorsichtshalber

Seit Beginn der Pandemie sind in der Schweiz etwa 300 Kinder im Alter von 0 bis 9 Jahren wegen eine Coronainfektion hospitalisiert worden, und noch einmal 170 im Alter von 10 bis 19. Die Zahlen nennt Christoph Aebi, Chefarzt der Universitätsklinik für Kinderheilkunde am Inselspital Bern, und in der Kinderärztlichen Fachgesellschaft der Schweiz federführend im Umgang mit der Coronapandemie.

«Unter den hospitalisierten Kindern waren viele, die mehr vorsichtshalber im Spital aufgenommen wurden», sagt er. «Der Grund war, dass das Krankheitsbild eben neu war und die Kinderärztinnen und Kinderärzte insbesondere in der ersten aber auch in der zweiten Welle sehr vorsichtig waren und in dubio Kinder hospitalisiert haben.» Das hätten sie bei einem Virus, den sie gut kennen, nicht im gleichen Ausmass gemacht.

PIMS: Weiterer Grund für Hospitalisierungen

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Eine weiterer wichtiger Grund für Hospitalisierungen wegen Corona war PIMS, das Entzündungssyndrom, das bei Kindern wenn, dann mehrere Wochen nach einer Coronainfektion auftritt. «In den USA gibt es Zahlen, dass das PIMS-Syndrom 1 von 3500 Infektionen ausmacht. In der Schweiz ist das gleich oder sogar noch seltener», sagt Aebi.

Auch mit Fieber harmlose Corona-Verläufe bei Kindern

Die akuten Coronainfektionen, die nicht zu einem Spitalaufenthalt führen, verlaufen bei Kindern, das ist weiterhin Stand des Wissens, harmlos, auch wenn es zu Fieber kommt. Das bestätigt auch Julia Bielicki, Kinderärztin am Universitätsspital beider Basel, dem UKBB: «Man muss vielleicht Fieber senken, muss darauf achten, dass das Kind genug trinkt. Aber prinzipiell ist überhaupt nicht zu erwarten, dass das schwerwiegender verläuft als eine starke, fieberhafte Erkältung, die Eltern kennen.»

Wir haben 1000 positive Kinder betreut und wir sehen keine schweren Verläufe.
Autor: Julia Bielicki Kinderärztin UKBB

Ihre Erfahrungen im Spital bestätigen das Bild des Coronavirus, das für Erwachsene durchaus gefährlich sein kann, für Kinder aber sehr viel weniger: «Wir haben knapp 1000 positive Kinder im UKBB betreut und wir sehen keine schweren Verläufe», sagt Bielicki.

Kind in Klasse mit Atemschutz
Legende: Schwere Fälle hat Julia Bielicki nur bei wenigen Jugendlichen miterlebt, die Verläufe hatten wie Erwachsene. Keystone

Nur eine Handvoll Jugendlicher hat Julia Bielicki während der zweiten Welle im Spital am UKBB erlebt, die Verläufe hatten wie Erwachsene und intensivmedizinische Betreuung brauchten.

Schwere Verläufe bei Kindern selten und beeinflussbar

Eine neue Studie aus England unterstreicht dieses Gesamtbild. Die Forscher werteten aus, wie viele Kinder und Jugendliche bis 18 Jahren in den ersten 12 Pandemie-Monaten an oder mit Corona verstarben. Es waren 61, und nur bei einem Drittel war klar, dass sie durch das Virus starben: «Die meisten tatsächlich mit einer akuten Infektion, wovon die allermeisten Kinder mit Vorerkrankungen waren.» Damit ist die Sterblichkeit pro infiziertem Kind oder Jugendlichen 5 pro Hunderttausend. Sehr niedrig.

Stand jetzt würde ich mir als Eltern keine Sorgen machen.
Autor: Christoph Aebi Chefarzt am Inselspital Bern

Christoph Aebi vom Inselspital Bern betont, es sei wichtig, beim Blick auf diese Zahlen zwei Perspektiven auseinanderzuhalten. Einerseits gebe es die individuelle Ebene der Eltern. «Stand jetzt», sagt Aebi aber, «würde ich mir als Eltern keine Sorgen machen.» Man könne und solle gesunde Kindern und solche mit Vorerkrankungen, die nicht kritisch seien, ohne Ängste in die Schule schicken.

Zahl der schweren Verläufe hängt direkt davon ab, wie viele Infektionen es insgesamt in der Bevölkerung gibt.
Autor: Christoph Aebi Chefarzt am Inselspital Bern

Andererseits seien gesamthaft gesehen schwere Verläufe und Todesfälle unter Kindern und Jugendlichen zwar selten, «aber absolut gesehen, sind es 200 oder 300 schwere Verläufe, das ist nicht zu vernachlässigen.» Die Zahl der schweren Verläufe hänge aber direkt davon ab, wie viele Infektionen es insgesamt in der Bevölkerung gebe. «Wenn wir das Virus unter Kontrolle halten können, wird es nur ganz wenig solcher Fälle geben», so Aebi.

Es ist ein klarer Hinweis: Die Zahl schwerer Verläufe bei Kindern und Jugendlichen ist beeinflussbar. Will man ihre Zahl tief halten, kann man das mit etwas Aufwand erreichen: weiter Impfen, weiter Reihentests, dort, wo sie etwas nützen, weiterhin Abstand, dort, wo es sinnvoll ist.

Echo der Zeit; 18.7.21; 18 Uhr ; 

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