Auf der Intensivstation des Zürcher Universitätsspitals (USZ) ist die dritte Welle die schlimmste. Als erstes Kamerateam konnte die «Rundschau» die Station besuchen und zwei Pflegeexpertinnen auf der Frühschicht begleiten.
Arbeitsbeginn ist morgens um 7 Uhr. Was auffällt, ist die Ruhe. Die Patienten sind bewusstlos, die Mitarbeitenden verständigen sich mit kurzen Zurufen. Dazwischen: Schläuche, zischende Maschinen, Monitore mit pulsierenden Linien.
Hightech-Medizin
Die meisten Patientinnen und Patienten hier brauchen rund um die Uhr die volle Aufmerksamkeit einer Pflegenden. «Man kann von einer Sekunde auf die andere in einer instabilen Situation sein», sagt Intensivpflege-Expertin Pascale Adam.
Das hier ist Hightech-Medizin: schweres Gerät. Doch manchmal reicht auch das nicht. Eine Frau wird in den nächsten Stunden sterben. Die Pflegende informiert den Mann und die Töchter, damit sie vorbeikommen und Abschied nehmen können. Nach dem Telefonat sinkt die Betreuerin auf dem Stuhl in sich zusammen. Abteilungsleiterin Irene Penker tröstet ihre Mitarbeiterin: «Du hast alles richtig gemacht!»
Die Pflegenden klagten schon vor Corona, sie seien am Anschlag. In der Pandemie mussten sie noch mehr leisten. Dafür gab es Applaus von den Balkonen, in einigen Kantonen einen Bonus. Und jetzt? «Wir sind nudelfertig», sagt Intensivpflege-Expertin Samira Kaiser. Die Solidarität im Spital funktioniere noch immer: Alle würden einander aushelfen. Aber es fehlten eben überall die Leute, immer mehr würden krank. Das Covid-Team sei erschöpft, und auf den fünf anderen Intensivstationen sei die Situation auch nicht besser.
Hohe Kosten – Pflegende am Anschlag
Auf Stufe Direktion versichert der Leiter der Covid-Taskforce, Jürg Hodler, dass man dem Personal Sorge trage. Beispielsweise habe das Unispital keinen Ferienstopp verhängt. Echte Verbesserungen allerdings dürften kaum zu erwarten sein: «Covid ist für uns hoch unrentabel. Und wir werden früher oder später reagieren müssen, um die Kosten in den Griff zu bekommen.»
Die Frühschicht dauert von 7 bis 16 Uhr. Mittagspause ist irgendwann zwischen 11 und 15 Uhr während 30 Minuten in einem kleinen Nebenraum. Die Kolleginnen passen in dieser Zeit auf zwei Patienten gleichzeitig auf.
Die Abteilungsleiterin für die Pflege auf der Intensivstation, Irene Penker, arbeitet schon fast drei Jahrzehnte im Beruf. Doch derzeit hat sie Angst: «Meine Leute sind am Limit. Sie arbeiten seit Monaten immer an der Oberkante.» Sie befürchtet, dass Mitarbeiterinnen ausbrennen.
Dabei betonen die Pflegenden, wie abwechslungsreich ihr Beruf sei und wie befriedigend – wenn ein Patient überlebt – oder wenn wenigstens Hoffnung auf Besserung besteht. Die Pflegenden wollen durchhalten, auch in dieser dritten, bisher härtesten Welle. Bei den Schränken bereiten zwei Pflegerinnen Medikamente vor. Die eine singt plötzlich halblaut: «Das ist die perfekte Welle…» Die beiden lachen – und eilen zu ihren Patienten zurück.