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Daniel Baumgartners Mission Der Imagebotschafter der Armee

Die Armee wieder attraktiv machen für Junge: Das ist der Auftrag des neuen Armee-Ausbildungschefs. Kann das gelingen?

Daniel Baumgartner marschiert über den Ausbildungsplatz in Colombier (NE). Schneeflocken fallen. Der Wind geht durch Mark und Bein. «Bei diesem Wetter muss mir keiner etwas von Attraktivitätssteigerung erzählen.» Er weiss: Militärdienst zu leisten, ist kein Zuckerschlecken. Drill, lange Märsche, wenig Schlaf, wenig Selbstbestimmung. «Klar wählen da viele aus opportunistischen Gründen den Zivildienst.»

Ein Porträt von Daniel Baumgartner.
Legende: Seit Anfang Jahr ist der neue Ausbildungschef Daniel Baumgartner unterwegs mit dem Ziel, der Armee einen neuen Anstrich zu verpassen. VBS/DDPS

«Militärdienst gehört dazu»

Kurzer Bürstenschnitt, helle Augen, grosse und kräftige Statur: Daniel Baumgartner ist seit 30 Jahren Berufsmilitär. Damals, als er die Rekrutenschule (RS) machte, war die Einstellung zum Militär eine andere. «Das hat man einfach so gemacht. Das hat dazugehört. Da gab es keine Diskussion, das nicht zu machen.»

Heute steht das Militär im Wettbewerb mit dem Zivildienst. Die Zulassungen zum zivilen Ersatzdienst steigen seit Jahren an. 2017 entschieden sich fast 6800 junge Leute für den Zivildienst. Das ist ein neuer Rekord. Knapp 40 Prozent von ihnen sind solche, die den Militärdienst zuerst angetreten, dann aber abgebrochen haben.

Kein Wunder, kam die Armee 2016 in einer Analyse über ihren Personalbestand zum Schluss: «Die Alimentierung ist in vielen Bereichen ungenügend, insbesondere bei den höheren Kadern fehlen Funktionsträger.»

Fehler erlaubt, denken erwünscht

Das ist der Grund, wieso die Armee auf Anfang Jahr die neue Stelle des Ausbildungschefs geschaffen und Daniel Baumgartner auf diesen Posten berufen hat. Seine Mission lautet: Er muss dafür sorgen, dass die Leute, die einrücken, auch bleiben. Damit das gelingen kann, gelten seit dem 1. Januar unter anderem neue Rahmenbedingungen für die Ausbildung (siehe Textbox): Die Rekruten kommen in den Genuss von mehr Zeit für sich selbst, zwei Jokertagen für unentschuldigtes Fernbleiben sowie mehr Sport.

Die Weiterentwicklung der Armee (WEA)

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Die seit 1. Januar geltende Reform soll die Armee moderner und flexibler machen. Die Bereitschaft der Armee soll erhöht, die Ausbildung und Ausrüstung verbessert, die regionale Verankerung gestärkt werden. Die wichtigsten Eckwerte der weiterentwickelten Armee sind: Der Sollbestand wird auf 100‘000 Mann reduziert, das Armeebudget mittelfristig auf 5 Milliarden Franken pro Jahr erhöht, die Ausrüstung modernisiert und ergänzt.

«Es ist ein Kulturwechsel», betont Daniel Baumgartner. «Der Umgang soll nicht unbedingt sanfter, aber vernünftiger werden.» Die Änderungen sollen verhindern, dass die Rekruten zu Beginn der RS überfordert sind und den Dienst abbrechen – sei es auch physischen oder psychischen Gründen. «Wir lassen keinen zurück. Wenn jemand Probleme hat, dann kümmern wir uns um ihn.»

Nicht nur punkto Sport und Freizeit gibt es Veränderungen, auch beim Umgangston. Die Kommandanten sollen nicht einfach Befehle brüllen, sondern den Zweck ihrer Befehle in einem «respektvollen und angenehmen Umgangston» erläutern. Den Rekruten soll die Sinnhaftigkeit ihrer Tätigkeit vermittelt werden. Fehler machen ist erlaubt, selber denken erwünscht.

Auch für die militärische Kaderlaufbahn gibt es Erleichterungen: Neu ist ein verspäteter Eintritt ins Semester an den Hochschulen möglich. Und es wird - abhängig von Dienstgrad und Ausbildungsdauer – eine finanzielle Ausbildungsgutschrift gewährt. Für einen Zugführer beträgt diese bis zu 13’500 Franken.

Auf dem Weg zum «Pfadi-Lager»?

Mehr Schlaf, mehr Freizeit, mehr Sport, weniger Drill – kann die Armee so überhaupt noch funktionieren, auch im Krisenfall? «Selbstverständlich», findet Baumgartner. «Die neu eingeführten Massnahmen zur Belastungsreduktion gelten nur zu Beginn der RS und bedeuten nicht, dass die geforderte Leistung in der RS insgesamt abnimmt.» Das Ziel, aus den Rekruten nach 18 Wochen fertig ausgebildete Soldaten zu machen, werde auch mit den genannten Anpassungen erfüllt.

Natürlich gibt es auch Kritik am Kurswechsel. Die armeefreundliche Gruppe Giardino etwa findet, dass die Jungen als Warmduscher abgestempelt würden und dass es bei der Armee doch gerade um Grenzerfahrungen gehe und die RS nicht zu einem «Pfadi-Lager» verkommen dürfe.

Hubert Annen ist Militärpsychologe an der Militärakademie der ETH. Er findet, es sei noch zu früh, um zu erkennen, ob die Armee auf dem richtigen Weg sei. Doch er verweist auf eine wissenschaftliche Begleitstudie, in der zwei Kompanien miteinander verglichen wurden. Bei der einen Kompanie lief alles wie bisher, bei der anderen wurde auf den guten Umgangston und einen einfacheren Einstieg in die RS geachtet.

Das Resultat: Beide Kompanien erbrachten laut Annen genau die gleiche Leistung. «Nur ist dort, wo das ganze etwas sanfter begonnen hatte, die Zufriedenheit höher gewesen. Die Soldaten waren fitter und es gab auch weniger medizinische Ausfälle.»

Auch auf dem Ausbildungsplatz von Colombier sieht Leutnantin Céline Crosez erste positive Resultate der Armeereform: «In meinem Zug ist bisher niemand weggegangen. Das freut mich sehr. Es ist leider aussergewöhnlich. Ich denke, das ist eine Folge der neuen Regeln.» Unklar bleibt, ob dieser Effekt von Dauer sein wird und die Jungen wirklich dazu bringt, in ihrer individuellen Kosten-Nutzen-Rechnung anders zu entscheiden.

Sendungsteaser.
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