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Daniel Jositsch im Interview
Aus Tagesschau am Vorabend vom 22.09.2021.
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Daniel Jositsch im Interview «Sehe nicht, was an DNA-Auswertung diskriminierend sein soll»

DNA-Spuren sind ein unverzichtbares Mittel für die Polizei. Doch die Beamten können nicht ihr ganzes Potenzial ausschöpfen. Sie dürfen lediglich das Geschlecht bestimmen und checken, ob die DNA-Spur schon in einer Datenbank erfasst ist. Nach dem Nationalrat sagt jetzt auch eine Mehrheit des Ständerats: Das reicht nicht, die Polizei braucht mehr Möglichkeiten.

Die Ermittler sollen bald mehr aus der DNA herauslesen dürfen. Doch bei welchen Delikten ist noch unklar. Bedenken kommen vor allem von links. Daniel Jositsch ist SP-Ständerat, plädiert als Strafrechtsprofessor im Interview aber für eine Ausweitung der Möglichkeiten.

Daniel Jositsch

Daniel Jositsch

Professor für Straf- und Strafprozessrecht

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Daniel Jositsch wurde 1965 in Zürich geboren und wuchs in der Stadt und im Zürcher Limmattal auf. Er studierte Rechtswissenschaften an der Universität St. Gallen (HSG) und ist heute als Strafrechtsprofessor tätig. Politisch war Jositsch auf nationaler Ebene zunächst als SP-Nationalrat tätig, seit vier Jahren vertritt er den Kanton Zürich im Ständerat.

SRF News: Daniel Jositsch, Sie kommen gerade aus der Debatte um das DNA-Profil-Gesetz. Sind Sie zufrieden, wie es gelaufen ist?

Daniel Jositsch: Absolut. Das Wichtigste ist, dass wir die Phänotypisierung möglichst rasch einführen können, damit bei schweren Gewalt- und Sexualdelikten alle Möglichkeiten, die technisch machbar sind, ausgeschöpft werden können.

Man hat aber aus den Beratungen der Kommission und auch heute im Rat eine gewisse Skepsis gegenüber den Strafverfolgungsbehörden gespürt. Vertrauen Sie den Ermittlern nicht?

Ich persönlich vertraue ihnen schon. Ich wäre auch weitergegangen und habe einige Anträge gestellt, die weitergehen würden. Aus politischen Gründen, damit diese Vorlage breit abgestützt ist und damit die Bevölkerung auch sicher ist, dass es keinen Missbrauch gibt, ist es aber sinnvoll, dass man es einschränkt.

Es ist wichtig, dass die DNA-Auswertung bei schweren Gewalt- und Sexualstraftaten schnell eingeführt wird.

Aber eben: Wichtig ist, dass die DNA-Auswertung bei schweren Gewalt- und Sexualstraftaten schnell eingeführt wird.

Sie sind seit vielen Jahren als Strafrechtsprofessor tätig, waren auch lange Strafverteidiger. Gab es Fälle, bei denen Sie heute sagen, da wäre es sehr wichtig gewesen, auf solche DNA-Daten zugreifen zu können?

Als Strafverteidiger hat man nur mit denen zu tun, die erwischt worden sind. Aber es gibt natürlich einzelne Fälle. Die Phänotypisierung gibt ja Informationen über die Haarfarbe, Augenfarbe, Alter, und Herkunft, also aus welcher geografischen Region der Täter stammt.

Wenn bei einem schweren Gewalt- oder Sexualdelikt der Täter nicht gefunden werden kann, weil man nicht alle technischen Mittel einsetzen kann, und sich nachher herausstellt, dass man ihn hätte fassen können und er unterdessen wieder Straftaten verübt hat, dann besteht in der Öffentlichkeit kein Verständnis für eine solche Einschränkung.

Deshalb ist es wichtig, dass wir alle technischen Möglichkeiten einsetzen, aber eben schauen, dass sie nur bei den schweren Delikten eingesetzt werden.

Wir sollten nicht einfach nur reagieren, wenn etwas passiert, sondern das Gesetz gleich anpassen, wenn die technische Entwicklung weiter geht.

Die heutige Debatte geht auf eine brutale Straftat 2015 in Emmen zurück. Eine Vergewaltigung, das Opfer ist seither gelähmt. Warum muss eigentlich immer zuerst etwas Schlimmes passieren, bevor man dann die entsprechenden gesetzlichen Grundlagen schafft?

Das ist tatsächlich ein Fehler. Mein Credo ist, dass die Strafprozessordnung, und damit die Möglichkeit, solche technischen Mittel einzusetzen, einhergehen sollte mit der technischen Entwicklung. Wir sollten nicht einfach nur reagieren, wenn etwas passiert, sondern das Gesetz gleich anpassen, wenn die technische Entwicklung weiter geht.

Aus Ihrer Partei, der SP, und grundsätzlich von der linken Seite kam viel Kritik an der Phänotypisierung. Es würde Rassismus und Diskriminierung Vorschub leisten, wenn man zum Beispiel aus der DNA sieht, dass der Täter ein Schwarzer sein muss.

Das hat nichts mit Diskriminierung zu tun. Es geht darum, bei einer Tat zum Beispiel herauszufinden, woher der Täter stammt. Wenn die Daten zeigen, dass der Täter aus Europa stammt, dann ist es richtig, dass man nach einem Weissen sucht. Wenn er aus Afrika stammt, ist es sinnvoll, dass man nach jemand anderem sucht. Es geht ja nur darum, die Suchkriterien einzuschränken. Und es basiert auf einer Faktenlage, wenn der Täter entsprechend identifiziert worden ist.

Die Menschenrechts-Institution der OSZE hat die Gesetzesvorlage, über die Sie heute debattiert haben, massiv kritisiert. Können Sie das nachvollziehen?

Nein. Wie gesagt: Die technischen Instrumente sind da, und wir suchen nur nach jemandem, der erwiesenermassen eine Straftat verübt hat. Jetzt wollen wir wissen, welche Haarfarbe der Täter hat, welche Augenfarbe, und aus welcher Gegend er stammt.

Damit schränken wir die Suche ein auf den Typ, der tatsächlich der Täter ist. Deshalb sehe ich nicht, was daran diskriminierend sein soll. Es gibt auch keine Zwangsmassnahmen auf Verdacht oder so etwas. Es kommt nur zur Anwendung, wenn eine konkrete Tat verübt worden ist.

Das Gespräch führte Urs Leuthard.

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Ermittler sollen mehr Informationen aus DNA-Spuren lesen dürfen
Aus Tagesschau vom 22.09.2021.
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Tagesschau, 22.9.2021, 18 Uhr;

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