Zum Inhalt springen

Das Nationalmuseum im Internet Diese Spionagekamera sorgt im Web für Furore

Der Blog des Nationalmuseums begeistert Geschichtsfans weltweit. 2023 hat eine kleine Kamera am meisten interessiert.

Altmeister Alfred Hitchcock war wie die meisten technikaffinen Regisseure ein Gadget-Fan. Und die 35-mm-Kamera Tessina musste es ihm angetan haben. So jedenfalls lässt es der Auftritt vermuten, den Hitchcock der damals kleinsten und leichtesten Kamera der Welt in seinem Spionage-Thriller «Topaz» 1969 verschafft hatte.

Ein Produktfoto der 35-mm-Kamera Tessina.
Legende: Die 35-mm-Kamera Tessina hatte nicht nur einen Auftritt in einem Spionage-Thriller, Geheimdienste nutzen sie tatsächlich für verdeckte Ermittlungen. Schweizerisches Nationalmuseum

Es sind oft Geschichten über Objekte in der Sammlung des Nationalmuseums, die im dazugehörigen Blog in Deutsch, Französisch und Englisch erzählt werden und Menschen in der Schweiz (46 %), Frankreich (12 %), Deutschland (10 %), den USA (8 %), Russland, Grossbritannien, Kanada, den Niederlanden und in Österreich erreichen.

2023 war mit 1'013'965 Besuchen das erfolgreichste Jahr überhaupt und der Blogeintrag über die Tessina war einer der erfolgreichsten im letzten Jahr. Auch, weil der Tessina-Artikel übernommen wurde: von Swissinfo und Watson im Onlinebereich, vom Bieler Tagblatt, Journal du Jura, Grenchner Tagblatt und der Schweiz am Wochenende im Printbereich.

Aufgebaut hat den Blog der Historiker und ehemalige Journalist Andrej Abplanalp, der als Kommunikationschef des Schweizerischen Nationalmuseums mit seinem Stellvertreter alle 982 bisher erschienen Einträge entweder betreut oder geschrieben hat. «Unser Ziel ist es, Schweizer Geschichte auf unterhaltsame, zeitgemässe und verständliche Art zu vermitteln», sagt er.

Museen werden überrannt

Zur Blog-Autorenschaft gehören Kuratoren des Nationalmuseums, externe Historikerinnen oder an der Schweizer Geschichte interessierte Menschen, die sich in einem Aspekt sehr gut auskennen. Abplanalp favorisiert Themen, die wenig bekannt sind und darum überraschen, wobei sich der Aktualitätsbezug kaum auf die Zahlen auswirke.

Der Erfolg des Blogs steht nicht isoliert: «Publikum rennt den Museen die Türen ein», schrieb der Tagesanzeiger über Rekordeintritte, welche historische Museen in der Schweiz 2023 verzeichnen konnten. Auch die Gruppe Schweizerisches Nationalmuseum mit dem Publikumsmagnet Landesmuseum Zürich erzielte mit fast 380'000 Eintritten einen Rekord.

Überraschend ist: Der Geschichtsunterricht wurde mit dem Lehrplan 21 in den meisten Kantonen reduziert und auch als Studienfach geht das Interesse an Geschichte zurück. Die Gesellschaft für Geschichte will mit einer Kampagne wieder mehr Maturanden für das Geschichtsstudium begeistern. Dieses Paradoxon kann sich auch Abplanalp nicht erklären.

Am besten würden Einträge über Sprache und Dialekte, über historische Episoden und Kriege und Schlachten gelesen. Viele Blogs erzählen Geschichte zu Objekten, die im Sammlungszentrum des Nationalmuseums in Affoltern am Albis aufbewahrt werden. Der Blog gibt diesen eingelagerten Objekten eine Bühne, so wie im Fall der Tessina.

Die Spionagekamera, die aus der Wärme kam

Die 35-mm-Kamera Tessina, die im Film von Alfred Hitchcock einen prominenten Auftritt hat, wurde tatsächlich im Tessin entwickelt und ab 1960 in der Uhrenstadt Grenchen gebaut. Und sie war nicht nur im Film eine Spionagekamera. Der Blog zeigt Testaufnahmen des Ostdeutschen Staatssicherheitsdienstes und auch die CIA hat die Tessina offenbar genutzt.

Ein Dokument, worauf vier kleinere Bilder zu sehen sind. Sie zeigen Menschen auf der Strasse.
Legende: Die Stasi, die Staatsicherheit der DDR, nutzte die 35-mm-Kamera Tessina für verdeckte Aufnahmen. Im Bild sind Testaufnahmen der Kamera. Stasi-Unterlagen-Archiv, Berlin

Tagesschau, 29.01.2024, 19:30 Uhr

Meistgelesene Artikel