Die Sendung « Dataland » hat ein in der Schweiz bisher einmaliges Experiment durchgeführt: Das Ziel war, den Spielern nicht nur zu zeigen, dass sie immer Datenspuren hinterlassen. Es sollten auch Daten gesammelt werden, von denen die Spieler keine Ahnung hatten, dass sie sie preisgeben. Ist jemand Links- oder Rechtshänder? Oder liest er die AGB? An diese Daten heranzukommen, war das wahre Ziel des Spiels « CheeseMaster ».
Käse war Augenwischerei
Während der Fernsehsendung konnten Zuschauer aus allen vier Sprachregionen vier Minigames spielen und in einer fiktiven Fabrik möglichst viele Käse herstellen. Je besser sie die Minigames meisterten, desto mehr Käse pro Minute spuckte die eigene Fabrik aus. Und je länger ein Spiel dauerte, desto mehr Käse produzierte sie insgesamt.
Alle Spielerinnen und Spieler wurden zusammengezählt und sollten während der Sendung mehr Käse produziert haben als eine Maschine. Vordergründig ging es im Spiel also um einen Kampf zwischen Menschen und einer künstlichen Intelligenz.
Am Schluss des Spiels hat die Maschine knapp verloren – und dennoch gewonnen. Denn in Tat und Wahrheit verfolgte sie ein eigenes, ganz anderes Ziel anstatt Käse zu produzieren: Sie sammelte Daten der Teilnehmenden – überraschende Daten, welche die Spielerinnen und Spieler nicht aktiv preisgegeben hatten.
Das ging so:
Minigame 1: Aussortieren
Dieses Spiel hat die Reaktionszeit der Spieler gemessen. Es wurde erfasst, wie schnell jeder die guten Käselaibe angetippt hat. Daraus leitet sich das Alter der Spieler ab, weil sich die Reaktionszeit im Alter verlangsamt.
So gaben die Spielerinnen ihr Alter preis, ohne beispielsweise einen Geburtstag anzugeben. Im Schnitt waren sie Mitte 30. Die ältesten Spieler kamen aus dem Kanton Uri (41 Jahre). Generell waren die Spieler in der Deutschschweiz etwas älter als die in den anderen Sprachregionen.
Minigame 2: Marketing
Bei diesem mit «Marketing» bezeichneten Game ging es nur um die Lokalisierung der Spieler – der einzige Moment, bei dem sie aktiv Daten von sich preisgaben und ihnen das auch bewusst war: Entweder musste sie dazu der automatischen Standortfreigabe zustimmen oder von Hand ihren Aufenthaltsort auf einer Karte eintragen.
Minigame 3: Portionieren
Ob jemand Rechts- oder Linkshänder ist, ermittelten die Daten-Analysten von «Dataland» durch die Art, wie die Spieler die herunterfallenden Käselaibe teilten: Von links oder von rechts? Rechtshänder streichen mehrheitlich von links unten nach rechts oben; Linkshänder mehrheitlich von rechts unten nach links oben.
In allen Sprachregionen spielten etwas weniger als 20 Prozent Linkshänder mit. Und sie dürfen sich gut fühlen: Sie punkteten im Schnitt besser als die Rechtshänder.
Minigame 4: Qualitätskontrolle
Im vierten Minigame ging es darum, falsch etikettierten Käse auszusortieren. Dabei wurden absichtlich einige der Etiketten farblich so gestaltet, dass Farbenblinde die Zahl auf dem Etikett nicht sehen konnten und den Käse deshalb fälschlicherweise aussortieren.
Wer liest die AGB?
Dass das Game Daten sammelte, stand in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB). Aber fast niemand hat sie gelesen. Auch diese Erkenntnis ist das Resultat einer versteckten Messung: Am Schluss der AGB war absichtlich ein lustiger Satz versteckt, auf den die Spieler klicken konnten, um eine Belohnung («1000 Käse pro Minute zusätzlich») zu erhalten. Dadurch wurde transparent, wer den Text zu Ende gelesen hatte – oder eben nicht.
Nur gerade 5 Prozent der Spieler schauten sich die AGB an. Und nur noch 2 Prozent fanden den versteckten Satz und haben die Bedingungen wirklich gelesen. Einen Unterschied zwischen Jüngeren und Älteren gab es nicht.
Was geschieht mit den Daten?
Nichts! Am Ende der Sendung wurden die Daten gelöscht. Was eine Ausnahme ist: Die wenigsten Anbieter im Internet löschen Daten.
Und: Es ist nicht klar, ob die erhobenen Daten korrekt sind, ob die Annahmen und Messungen in jedem einzelnen Fall überhaupt stimmen. Auch das entspricht dem Alltag im Internet: Wenn ein Werbe-Algorithmus das Gefühl hat, ein Benutzer mag dieses oder jenes Produkt, hat dieser Benutzer kaum eine Möglichkeit, etwas über diese Vermutungen zu erfahren oder gar einen falschen Eindruck zu korrigieren.