Der Nationalrat debattiert über die sogenannte Ernährungsinitiative. Die Initiative will die Selbstversorgung stärken, Grundwasserressourcen sichern und eine nachhaltige Land- und Ernährungswirtschaft fördern.
Die vorberatende Kommission hatte die Initiative einstimmig abgelehnt. «Die Initiative würde zu tiefgreifenden Eingriffen führen», warnt der Kommissionssprecher Martin Hübscher (SVP/ZH) zu Beginn der Debatte. Ein breites Band aus Mitte-rechts-Politikern und -Politikerinnen, darunter Markus Ritter (Mitte/SG), betont, dass man zuletzt im Zweiten Weltkrieg eine Selbstversorgung von ungefähr 70 Prozent gehabt habe – dies eine Forderung der Initiative.
Der Bauernverbandspräsident erklärt, dass die Initiative «komplett an den agronomischen Realitäten» vorbeiziehe. Dazu warnt Ritter vor der Gefahr eines steigenden Einkaufs- und Gastrotourismus.
Die bürgerlichen Parteien stellen sich entschieden gegen die Initiative und lehnen sie ohne Gegenvorschlag ab. Sowohl die SVP als auch die FDP sehen schwerwiegende Eingriffe in die persönliche Freiheit. Daniela Schneeberger (FDP/BL) merkt zudem an, dass das Volksbegehren unsozial sei, da höhere Lebensmittelpreise besonders Haushalte mit geringem Einkommen träfen, und nennt die Initiative einen «staatlichen Ernährungszwang».
Ein «Ernährungszwang» geht auch für die Berner SVP-Nationalrätin Katja Riem zu weit. Man müsse die Landwirtschaft mit «Respekt und Vertrauen» behandeln und nicht mit «gar lächerlichen Vorschlägen» hinterfragen.
Auch für das linke Lager geht die Initiative in Teilen zu weit. Eine rot-grüne Minderheit der vorberatenden Nationalratskommission schlägt jedoch einen alternativen Verfassungsartikel vor. Dieser beschränkt sich auf die Erhaltung der Ökosysteme und der Biodiversität sowie den Schutz der Gewässerqualität und Bodenfruchtbarkeit.
Der Gegenvorschlag streicht die politisch schwer erreichbaren Ziele der Initiative. Eine Selbstversorgung von 70 Prozent sei unrealistisch, meint Jacqueline Badran (SP/ZH). Auch die Frist von zehn Jahren erachtet sie als zu optimistisch. Dabei betont sie: «Inhaltlich finden wir diese Initiative den richtigen Weg.»
Auch Grünliberale und Grüne unterstützen die Initiative nicht vollumfänglich. «Klimaschutz geht nur sozial, und das wäre mit dieser Vorlage sehr anspruchsvoll», bemerkt Franziska Ryser (Grüne/SG).
Beide Parteien anerkennen jedoch die Problematik, die der Initiative zugrunde liegt, und unterstützen den Gegenvorschlag mit angepassten Artikeln. Ryser sagt, dass somit die «wichtigen Ziele» aufgenommen werden.
Das sieht auch Kathrin Bertschy (GLP/BE) so. Die Einhaltung der Umweltziele sei unumgänglich und nicht einfach «nice to have». Die Berner Nationalrätin weist in ihrer Rede darauf hin, dass in der Landwirtschaft von den ausgerichteten Subventionen und Steuererleichterungen 40 Prozent eine biodiversitätsschädigende Wirkung hätten.
Der Bundesrat will keinen Gegenvorschlag – weder auf Verfassungs- noch auf Gesetzesstufe. Er vertritt die Ansicht, die heutigen Verfassungsgrundlagen für eine Entwicklung der Agrarpolitik in die verlangte Richtung genügten.
Die Debatte wird am 17. Dezember fortgesetzt. Zu entscheiden haben wird der Nationalrat dann auch, ob er der Initiative einen Gegenvorschlag entgegenstellt.