Obwohl mehrere Tonnen schwer und ziemlich gross, stand das Nazi-Denkmal jahrzehntelang unbemerkt auf einem Churer Friedhof. Unbemerkt blieb vor allem der Hintergrund des Steins: Wie Recherchen von SRF Investigativ zeigen, ist das Monument Teil eines Helden- und Totenkults, mit dem Adolf Hitler seinen Krieg legitimierte.
Das nationalsozialistische Denkmal befindet sich seit 1938 auf dem Friedhof Daleu mitten in der Bündner Hauptstadt. Das Monument gedenkt im Ersten Weltkrieg gefallenen deutschen Soldaten.
Die Stadt Chur blieb lange untätig. Was macht man jetzt mit einem Nazi-Stein? Wie geht man mit einem solch belasteten Denkmal um? SP-Nationalrat Jon Pult, der selbst nur wenige hundert Meter neben dem Friedhof wohnt, schreibt auf Twitter:
Es brauche im Umfeld des Steins ein Mahnmal, ein Ort der Erinnerung über die Nazi-Verbrechen und deren Verbindungen zu Chur und zum Kanton Graubünden, so Pult weiter. «Was mit dem Nazi-Stein selbst geschieht, ist in diesem Zusammenhang sorgfältig zu klären.»
Politiker fordert Abriss des Monuments
Erfahrung im Umgang mit Objekten mit problematischer Vergangenheit hat Dr. Andrea Kauer. Sie ist Museumsdirektorin des Rätischen Museums in der Churer Altstadt. Auch sie wusste nichts vom nazistischen Denkmal auf dem Friedhof. Kauer pflichtet Pult bei: «Es ist jetzt ganz wichtig, dass man dieser Geschichte nachgeht.»
Ich glaube, ein Ort der Erinnerung oder ein Mahnmal wäre die bessere Option.
Vereinzelte Stimmen fordern: «Weg mit dem Ding!» Kauer verstehe diese spontane Reaktion. Aber: «Das wäre der falsche Weg. Dann würde man sich nicht mit der Geschichte auseinandersetzen. Das Gegenteil muss der Fall sein.»
Auch für Jon Pult wäre ein Entfernen falsch. Es habe schliesslich keine offensichtlichen Nazisymbole wie das Hakenkreuz. «Die Situation ist differenzierter. Ich glaube, ein Ort der Erinnerung oder ein Mahnmal wäre die bessere Option.» Er sei kein Experte für Denkmäler, aber: «Wir könnten einen Wettbewerb ausschreiben für verschiedene Expertinnen und Experten mit der Frage: Wie kann man einen solchen Stein so kontextualisieren, dass ein Ort der Erinnerung entsteht?»
Stadt wartete Reaktionen der Öffentlichkeit ab
Die SRF-Recherche habe aufgezeigt, dass noch viel Aufarbeitung notwendig sei, sagt Andrea Kauer vom Rätischen Museum. «Wie der Nazi-Stein dann kontextualisiert wird, muss dann in einem zweiten Schritt erarbeitet werden.» Sei es mit Informationen, mit einem Mahnmal oder Ähnliches.
Andrea Kauer sieht eine gute Gelegenheit, zu erfahren, wie sich die nationalsozialistische Geschichte kleinräumig auswirkte: «Nicht nur die grossen Züge der Geschichte der Nazis, die wir alle im Unterricht hörten. Sondern eben auch: Was bedeutete das für eine Schweizer Kleinstadt?»
Eine Mehrheit möchte wohl, dass das Nazi-Denkmal stehen bleibt, eingeordnet und kontextualisiert wird. Bei vielen Leuten sei es gut angekommen, dass man die Reaktionen abwartete, sagt der Churer Stadtpräsident Urs Marti (FDP): «Es gab wenige Reaktionen in Richtung Abriss.»