Aus der 68er-Bewegung kam auch in der Stadt Biel die Forderung nach einem autonomen Freiraum. Nach einigem Hin und Her mit der Politik erhielten die jungen Bielerinnen und Bieler schliesslich den ausrangierten Gaskessel.
Der «Chessu», wie er in Biel genannt wird, wurde während mehreren Jahren zu einem Kulturlokal ausgebaut. 1975 wurde er offiziell eröffnet.
Seit seiner Gründung ist der «Chessu» basisdemokratisch organisiert. «Das fasziniert mich, dass das über eine so lange Zeit so gut funktioniert», sagt Xine, sie ist seit über 20 Jahren Aktivistin im «Chessu». Machmal sei es zwar schon kompliziert, da effektiv jede und jeder mitreden könne. «So muss halt alles immer ausdiskutiert werden», so Xine.
Mina, eine Aktivistin der jüngsten Generation, ist erst seit sechs Jahren aktiv dabei. Sie sei herzlich aufgenommen worden, habe anfangs jedoch etwas Zeit gebraucht, um sich in den Strukturen zurechtzufinden.
Die Polizei betritt den «Chessu» nie
Anders als bei anderen autonomen Jugendzentren gab es beim «Chessu» nie eine Gewalteskalation mit den Behörden. Hier in Biel rede man noch zusammen, sagt Böbu, ein Aktivist der ersten Stunde. «Das war schon immer so. Wenn es Spannungen gibt, sitzt man mit den Behörden an einen Tisch.»
Mit der Polizei gibt es eine Vereinbarung: Sie kommt nicht in den «Chessu» rein. Gibt es einen Vorfall, nehmen die Beamtinnen und Beamten mit dem Sicherheitsdienst Kontakt auf.
Neue Wohnungen hier – ein neues Hotel da
Die Behörden machen der autonomen Szene in Biel also nicht das Leben schwer – es ist eher die Stadtentwicklung. Auf der einen Seite ist eine Begegnungszone entstanden, auf der anderen Seite eine Überbauung mit neuen Wohnungen und aktuell wird gleich neben dem «Chessu» ein Hotel gebaut.
Es sei eine Horrorvorstellung, sagt Aktivist Böbu: «Ich weiss nicht, wie das funktionieren soll. Ein First-Class-Hotel direkt neben dem ‹Chessu›, das wird todsicher Konflikte geben.»
Das wird todsicher Konflikte geben.
Diese sich abzeichnenden Konflikte sind mit ein Grund, warum der «Chessu» nun saniert werden muss. Mit der bestehenden Infrastruktur kann zum Beispiel der Lärmschutz nicht mehr gewährleistet werden. Der ringförmige Anbau, welcher in den 90er Jahren gebaut wurde, ist marode.
Der ringförmige Anbau soll abgerissen und mit einem Neubau ersetzt werden. In diesem Anbau gäbe es auch Sitzungsräume oder Platz für kleinere Anlässe. Kostenpunkt: Sechs Millionen Franken. Rund die Hälfte übernimmt die Stadt, der Rest müssen die Betreiberinnen und Betreiber des «Chessu» selber auftreiben.
Die Geldsuche wurde von der Pandemie lahmgelegt. Nun versuchen die Aktivistinnen und Aktivisten mit einem Crowdfunding das fehlende Geld zusammenzukratzen.
Passt das zu einem autonomen Jugendzentrum?
Die Pläne des Neubaus kommen geschniegelt daher. Im «Chessu» fragen sich manche: Passt das zu uns? Aktivistin Xine winkt ab: «Pläne sehen halt so aus. Das wird schnell alles so bunt aussehen, dass es passt.»
Der alte Hase Böbu schmunzelt: «Genau diese Befürchtungen gab es auch in den 90er-Jahren, als der Ringbau kam.» Der Neubau sei aber nach wenigen Wochen voll mit Graffitis gewesen – und mit dem Zentrum verschmolzen.