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Die andere 1.-August-Rede Flavios Plädoyer für eine Schweiz, die sich was traut

Flavio Moresi ist ein normaler Teenager. Am Nationalfeiertag hat er eine eigene Botschaft – ohne politische Untertöne.

Der Schweizer Nationalfeiertag ist Grosskampftag für Schweizer Politikerinnen und Politiker. Vom Gemeindepräsidenten bis zur Bundesrätin – alle halten sie 1. August-Reden, sprechen über Freiheit und Demokratie und platzieren gerne auch noch die eine oder andere Botschaft aus ihrem Parteiprogramm.

Dass es auch anders geht, zeigt die Stadt Zürich an ihrer Bundesfeier: Da treten vor den bekannten Politikern jeweils Jugendliche ans Mikrofon, die eine Carte Blanche erhalten für eine fünfminütige 1. August-Rede. Einer von ihnen ist Flavio Moresi.

Für einmal reden statt Raketen zünden

An einer Bundesfeier ist er noch nie gewesen, und er hat auch noch nie einer 1. August-Rede zugehört: «In den letzten Jahren habe ich immer meinen freien Tag genossen und habe ausgeschlafen. Ich bin dann am Abend raus und habe Feuerwerk gezündet», sagt Flavio mit einem verschmitzten Lächeln.

Und trotzdem hat sich der 18-jährige Banklehrling mit der dunkelblonden Haartolle sofort angesprochen gefühlt, als seine Arbeitgeberin, die Zürcher Kantonalbank, vor ein paar Monaten bei ihren Lernenden anfragte, ob jemand von ihnen Lust hätte, die 1. August-Rede in Zürich zu halten.

Feuerwerk an einer Bundesfeier.
Legende: Bislang erlebte Flavio die Bundesfeier als Zuschauer, jetzt betritt er selbst die Bühne. Keystone

Er habe es natürlich erst einmal als Ehre empfunden, sagt Flavio, aber um ehrlich zu sein, könne der Auftritt auch hilfreich für seine Karriere sein: «Schliesslich macht es mir einfach Spass. Ich halte gerne solche Reden, ich habe im Geschäft auch schon mehrfach die Chance dazu erhalten.»

Keine politische Rede

Flavio sagt von sich selbst, er sei ein ganz normaler 18-Jähriger. Er steckt mitten in der Lehre zum Bankkaufmann, lernt viel für die Berufsschule, spielt in seiner Heimatgemeinde Fussball, geht mit den Kollegen in den Ausgang. Ab und zu gucke er die «Tagesschau». Und er mache sich auch Gedanken über das, was politisch in der Schweiz laufe, zum Beispiel über die Zukunft der AHV.

Aber es sei ihm bis jetzt noch nie in den Sinn gekommen, sich politisch zu engagieren. Er habe auch nicht vor, in nächster Zeit politisch aktiv zu werden, sagt Flavio: «Aber wenn, würde ich in Richtung FDP tendieren.» Aussagen über aktuelle politische Themen lässt sich Flavio nicht entlocken.

Und er werde auch an der Bundesfeier in Zürich keine politische Rede halten: «Es ist ein Fest, bei dem es darum geht, die Schweiz zu feiern. Es geht nicht darum den Leuten zu sagen: Macht die Augen auf, dies und das läuft falsch.»

Die Geschichte des Grossvaters als Inspiration

Deswegen habe er ein Thema gesucht, das nicht politisch sei und die ganze Bevölkerung anspreche. Und so dreht sich Flavios 1. August-Rede nicht um die Beziehungen der Schweiz zur EU oder die Zuwanderungsdebatte, sondern um seinen Grossvater, der vor drei Jahren einen schweren Velo-Unfall hatte.

Er musste sich diversen Operationen stellen, die für ihn Leben oder Tod bedeuteten. Er musste kämpfen. Jedoch hatte er den Willen und den Mut, sich dieser Situation zu stellen.

Die Zeilen liest Flavio aus seiner Rede vor, die er nach einer Eingebung mitten in der Nacht auf dem Handy geschrieben hat. Er sieht den Kampf seines Grossvaters als Metapher für die Schweiz: «Für mich ist dieser Mann das perfekte Beispiel für all die Eigenschaften, was die Schweiz und ihre Bürger verkörpern: Dass wir auch als kleines Land Grosses erreichen können. Auch für sie lohnt es sich, die Extra-Meile zu gehen. Haben Sie den Mut, für etwas einzustehen und mehr dafür zu machen, als nötig wäre.»

1. August-Feier 2001 in Zürich
Legende: Kuhglocken, Schweizerfahnen und die Nationalhymne: Am 1. August, an dem die Schweiz sich und ihre Traditionen feiert, will Flavio auch mutig nach vorne blicken. Keystone/Archiv

Ja, sie mag etwas pathetisch sein, die 1. August-Rede von Flavio Moresi. Und von politischen heissen Eisen lässt er bewusst die Finger. Aber man spürt, dass es der Banklehrling ernst meint mit seinem Aufruf zu mehr Mut. Und mit der ganz persönlichen Geschichte seines Grossvaters hat die Rede eine Herzlichkeit, die manchmal fehlt, wenn routinierte Politiker eine geschliffene 1. August-Rede halten.

Es hat etwas Rührendes, wenn Flavio zum Schluss der Rede Micky Maus-Erfinder Walt Disney zitiert: «Wir können alles erreichen, solange wir den Mut haben, unseren Träumen zu folgen.» Flavio freut sich auf seinen Auftritt an der Bundesfeier in Zürich. Er habe sich gerne mit der Schweiz auseinandergesetzt – und kann sich gut vorstellen, dass er künftig den 1. August nicht mehr verschläft.

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