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Die Gefahren der Natur Bröckelnde Felsmassen bedrohen Wanderwege und besiedelte Gebiete

Die Natur ist in Bewegung. Felsstürze und Steinschläge bedrohen auch besiedelte Gebiete in der Schweiz. «Der Fels in der Schweiz wird durch Verwitterung praktisch überall brüchig und instabil», sagt Christoph Hegg, der bei der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft zu Naturgefahren forscht.

Damit Felsmassen in Bewegung kämen, müsse es aber noch steil genug sein. Es brauche also einen Hang, an dem der Fels abrutschen könne – und Klüfte in den Felsen. Diese vertiefen sich über Tausende von Jahren immer weiter und führen schliesslich dazu, dass ein Teil des Felses abstürzt.

Solche Spalten entstehen überall in der Schweiz, allerdings sehr, sehr langsam. «Daher ist längst nicht überall damit zu rechnen, dass in absehbarer Zeit ein Felssturz oder Steinschlag passiert», sagt Hegg.

Evakuieren oder umsiedeln?

In Grindelwald konnte man 2008 fast zusehen, wie Teile des Eigers zu Geröll und Staub wurden. Grössere Brocken drohten damals in einen Gletschersee zu fallen – und als Murgang ins Tal zu donnern. Die Grindelwalder Behörden reagierten, indem sie einen Stollen bauten, um im Gletschersee das Wasser ablaufen zu lassen – Kostenpunkt: 15 Millionen Franken.

In der Gemeinde Weggis war man gezwungen, zu härteren Mitteln zu greifen. Im Jahr 2014 mussten mehrere Bewohner ihre Häuser räumen, da Teile des Nagelfluhfelsens herunterzustürzen drohten. Der Gemeinderat entschied, dass die Häuser nie mehr bewohnt werden dürfen – die Bewohner wurden enteignet. Eine Hauseigentümerin wehrte sich bis vor Bundesgericht. Ohne Erfolg, ihr Haus wurde wie die anderen abgerissen. Der Fels blieb bis heute, wo er ist – auch dank Überbauungen.

Es sei sicher das letzte Mittel, die Menschen zum Umzusiedeln zu zwingen, sagt Hegg dazu. Normalerweise würden sie einfach für kürzere Zeit evakuiert. «Eine dauerhafte Umsiedlung geschieht häufig bei kleineren Felsbewegungen, da dort die Vorwarnzeit viel kürzer ist», so Hegg.

Trotzdem, solche permanenten Umsiedlungen würden in nächster Zeit wohl häufiger passieren, sagt Hegg. Ob aufgrund des Klimawandels oder der genaueren Voraussage, wo ein Fels in Bewegung gerate, sei aber schwierig zu sagen.

Das Eis schmilzt

Der Klimawandel wirkt sich vor allem auf den Permafrost aus. Denn das ewige Eis ist nicht so ewig, wie es hiess. «Das Eis ist nur solange ewig, wie die Temperaturen in einem Bereich sind, in dem der Boden noch gefroren bleibt», sagt Hegg. Mit der Klimaerwärmung könne man davon ausgehen, dass der Permafrost in verschiedenen Orten auftauen werde. Und das gefrorene Eis spielt dort oft eine stützende Rolle. Wenn das Eis in den Spalten auftaut, werden diese grösser und können den Fels nicht mehr stützen. «Das kann an den einen oder anderen Orten zu Ereignissen wie demjenigen am Piz Cengalo führen.»

Es gebe aber Vorzeichen, um solche Ereignisse vorauszusehen. Eine grosse Masse beginne sich schneller zu bewegen, bevor sie abstürze. Die Frequenzen zwischen den Steinschlägen würden sich erhöhen. «Mit installierten Messgeräten können wir dann sehen, wann tatsächlich ein Abbruch droht», sagt Hegg.

Gefährliches Wandern

Auch für Wanderer wird es in nächster Zeit gefährlicher. Denn immer häufiger werden Wanderwege umgeleitet oder müssen gleich ganz geschlossen werden.

So bröckelt und rutscht etwa ein Hang über dem Aletschgletscher, der so gross ist wie 250 Fussballfelder. Im letzten September hat die Gemeinde dort mehrere Wanderwege geschlossen. Es sei zu gefährlich für Wanderer.

Oberhalb des Gelmersees nahe des Grimselpasses haben sich vor fünf Tagen Gesteinsmassen gelöst und sechs Wanderer verletzt.

Schilder, auf denen «Weg gesperrt» steht, oder Brücken, die etwa im Wallis gebaut werden, um gefährdete Zonen zu umgehen, wird man in Zukunft häufiger auf Wanderungen antreffen.

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