Zum Inhalt springen

Header

Audio
«Das Bewusstsein für Krisen ist heute sicherlich grösser»
Aus Echo der Zeit vom 23.12.2022. Bild: KEYSTONE/Anthony Anex
abspielen. Laufzeit 7 Minuten 33 Sekunden.
Inhalt

Die Schweiz im Krisenmodus Walter Thurnherr: «Die Zukunft wird unberechenbar und unstet»

Wenn die Schweiz in eine Krise gerät, liegt es am Bundesrat, diese zu bewältigen. Bundeskanzler Walter Thurnherr ist dafür zuständig, dass dies koordiniert abläuft. An ihm liegt es zum Beispiel, die Lehren aus der Coronakrise zu ziehen und Vorschläge zu machen, wie sich die Schweiz künftig besser aufstellt in einem ähnlichen Fall. Gleichzeitig beschäftigt er sich mit den Herausforderungen, die sich aus dem Ukraine-Krieg ergeben. Stichwort Energiemangellage. Im Gespräch zieht Thurnherr die Lehren aus den Krisenjahren.

Walter Thurnherr

Walter Thurnherr

Bundeskanzler

Personen-Box aufklappen Personen-Box zuklappen

Bundeskanzler Walter Thurnherr ist seit dem 1. Januar 2016 der Stabschef des Bundesrates. Er unterstützt die Bundespräsidentin oder den Bundespräsidenten und das Bundesratskollegium bei der Wahrnehmung ihrer Regierungsobliegenheiten. Er nimmt zusammen mit den beiden Vizekanzlern an den wöchentlichen Sitzungen des Bundesrates teil. Er hat dabei beratende Funktion und kann Anträge stellen.

SRF News: Hat sich die Schweiz in diesen Krisenjahren verändert?

Walter Thurnherr: Die Sensibilitäten haben sich geändert. Man wird sich bewusst, dass die Zukunft nicht die stetige Fortsetzung der Gegenwart sein wird. Die Zeiten sind unsicher. Wenn wir vor vier Jahren vorausgesagt hätten, was alles passieren wird, wäre das wohl als Albtraum abgetan worden: eine Übersterblichkeit von 10'000 Personen pro Jahr, ein Krieg in Europa und all die anderen Krisen, die sich derzeit vollziehen. Heute ist das Bewusstsein grösser, dass Krisen passieren können. Und zwar nicht nur weit weg von der Schweiz, sondern auch bei uns.

Auf Ihrem Tisch liegen verschiedene Aufträge, wie sich die Schweiz in Krisenzeiten besser aufstellen kann. Wo stehen die Arbeiten?

Wir haben verschiedene Schwachstellen erkannt. So zum Beispiel, was die Zusammenarbeit innerhalb der Verwaltung betrifft. Bei der Digitalisierung gibt es eine grosse Baustelle. Wir haben auch festgestellt, dass wir die Zusammenarbeit zwischen der Wissenschaft und der Politik verbessern müssen. Schwachstellen gibt es auch bei der Zusammenarbeit von Bund und Kantonen.

Mit den Kantonen haben wir festgestellt, dass eine Krise in den normalen Strukturen nicht bewältigt werden kann.

Zu all diesen Baustellen gab es Workshops, Papiere und Vorschläge. Wir werden dem Bundesrat entsprechende Varianten im kommenden Frühling und Sommer vorstellen.

Walter Thurnherr mit Bundesrätin Karin Keller-Sutter.
Legende: Bundeskanzler Walter Thurnherr vermittelt, koordiniert und macht Vorschläge zuhanden des Bundesrats. Keystone/Peter Schneider

Die Kantone haben auf permanente Krisenstäbe gepocht, weil sie selber damit gute Erfahrungen machen. Ein Stichwort war die nationale Alarmzentrale.

Wir werden dem Bundesrat Vorschläge mit verschiedenen Varianten unterbreiten. Einer davon wird sein, eine permanente Struktur aufzubauen. Mit den Kantonen haben wir festgestellt, dass eine Krise in den normalen Strukturen nicht bewältigt werden kann. Wir brauchen Unterstützung und vielleicht auch mehr Antizipation: Eine Struktur, die früher darauf aufmerksam macht, dass eine Krise heraufzieht und man handeln muss.

Ein wichtiger Punkt war der Einbezug der Wissenschaft. Bis Ende nächsten Jahres sollen Vorschläge gemacht werden. Wo stehen die Arbeiten diesbezüglich?

Relativ weit. Wir stellen uns vor, dass wir in der Krise besser bereit sein müssen. Mit einem Netzwerk an Wissenschaftlern, die bereit sind, in der Krise beizustehen. Sie sollen schon vorher wissen, wie sie untereinander kommunizieren, wie sie entschädigt würden und was genau ihre Aufgabe wäre.

So einfach wie in den letzten 30, 40 Jahren wird es wahrscheinlich in der Zukunft nicht mehr sein.

Das sind Dinge, die wir jetzt vorbereiten können. Wir erwarten von der Wissenschaft, dass sie selbst weiss, welche zehn bis fünfzehn Vertreterinnen und Vertreter auf einem spezifischen Gebiet die besten wären, um den Bundesrat zu beraten. 2020 hatten wir erst am 30. März das Mandat für die ad-hoc-Covid-Taskforce unterschrieben. Das war definitiv zu spät.

Die Schweiz wurde lange von Krisen verschont, so auch von den Weltkriegen. Wir sind nicht so krisenerprobt wie andere Länder. Wie kann man hier auf ein Umdenken hinarbeiten?

Zum Glück waren wir uns Krisen nicht so gewohnt. Wir müssen nun lernen, dass wir durch Krisen im Ausland betroffen sein werden. Das haben wir an der Pandemie gesehen, nun an der Energiemangellage. Morgen wird es vielleicht ein Halbleiter-Problem sein. Wir sind in einem internationalen Netzwerk und werden von künftigen Krisen nicht verschont. So einfach wie in den letzten 30, 40 Jahren wird es wahrscheinlich in der Zukunft nicht mehr sein.

Wir müssen lernen, uns auf internationale Krisen besser vorzubereiten – und nicht nur auf Lawinenabgänge und Hochwasser.

Die Zukunft wird unberechenbar und unstet sein. Ich bin ein Optimist und glaube, wir können Krisen gut bewältigen. Das ist uns letztlich auch mit der Pandemie gelungen. In unseren Bergen haben wir gelernt, uns auf Krisen einzustellen und uns darauf vorzubereiten. Wir müssen nun lernen, uns auf internationale Krisen besser vorzubereiten – und nicht nur auf Lawinenabgänge und Hochwasser.

Das Gespräch führte SRF-Bundeshausredaktorin Christine Wanner.

Echo der Zeit, 23.12.2022, 18 Uhr;

Jederzeit top informiert!
Erhalten Sie alle News-Highlights direkt per Browser-Push und bleiben Sie immer auf dem Laufenden.
Schliessen

Jederzeit top informiert!

Erhalten Sie alle News-Highlights direkt per Browser-Push und bleiben Sie immer auf dem Laufenden. Mehr

Push-Benachrichtigungen sind kurze Hinweise auf Ihrem Bildschirm mit den wichtigsten Nachrichten - unabhängig davon, ob srf.ch gerade geöffnet ist oder nicht. Klicken Sie auf einen der Hinweise, so gelangen Sie zum entsprechenden Artikel. Sie können diese Mitteilungen jederzeit wieder deaktivieren. Weniger

Sie haben diesen Hinweis zur Aktivierung von Browser-Push-Mitteilungen bereits mehrfach ausgeblendet. Wollen Sie diesen Hinweis permanent ausblenden oder in einigen Wochen nochmals daran erinnert werden?

Meistgelesene Artikel