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Die Zeit nach dem Ärztestopp Nationalrat will Vertragszwang aufweichen

  • Der Nationalrat hat erste Weichen für die künftige Steuerung der Ärztezahlen gestellt.
  • So sollen Kantone neu Höchst- und Mindestzahlen festlegen und dabei alternativ auch eine Lockerung des Vertragszwangs vorsehen können.
  • Die mögliche Überantwortung der Steuerung direkt an die Versicherer bewilligte der Rat gegen den Willen der SP mit 126 gegen 57 Stimmen.
  • Die Vorlage wurde in der Gesamtabstimmung mit 128 zu 40 Stimmen bei 13 Enthaltungen angenommen und geht jetzt an den Ständerat.

Bei der Revision des Krankenversicherungsgesetzes (KVG) geht es um die zentrale Frage, wie künftig die Ärztezahl gesteuert werden soll. Die Kantone sollen damit am Ende des befristeten Zulassungsstopps Mitte 2019 ein dauerhaftes Instrument erhalten, um Ärzte zahlenmässig begrenzen zu können.

Die grosse Kammer folgte dabei in weiten Teilen den Vorschlägen des Bundesrats, setzte allerdings die Zulassungshürden für Ärzte etwas höher und ging vor allem bei den künftigen Steuerungskompetenzen der Kantone über die Pläne der Landesregierung hinaus: So sollen die Kantone neu alternativ zur Steuerung über Höchst- und Mindestzahlen auch eine Lockerung des Vertragszwangs vorsehen können.

Scharfe Kritik der SP

Die Aufweichung des Kontrahierungszwangs sei der grösste Pferdefuss der Vorlage, warnte Bea Heim (SP/SO). Das akzeptiere die SP nicht, selbst wenn die Massnahme vorerst nur als Möglichkeit formuliert werde.

Die Kantone dürften ihre ureigenste und demokratisch verfügte Kompetenz für die Gesundheitversorgung der Bevölkerung nicht den Versicherern und Leistungserbringern überlassen.

SVP: Kostenträger sollten Ärzte ausschliessen können

«Eine liberale Antwort auf die Problematik wäre es, den Kostenträgern die Steuerungsmöglichkeit zu geben, indem sie Ärzte ausschliessen könnten, die es zur Versorgung ihrer Versicherten gar nicht mehr braucht» stellte dagegen Heinz Brand (SVP/GR) fest.

Aufgrund des Vertragszwanges könnten die Krankenversicherer dies heute und wohl auch in naher Zukunft nicht. Daher sei die vorliegende kantonale Steuerungslösung unumgänglich. Zumal mit den Bilateralen grundsätzlich alle Ärzte aus der EU in der Schweiz eine Berufsausübungsbewilligung beantragen und gegebenenfalls auch erhalten könnten.

Was die Zulassungsbedingungen betrifft, so sollen laut Nationalrat Ärzte zwingend eine mindestens dreijährige Tätigkeit im beantragten Fachgebiet in einer anerkannten Schweizer Weiterbildungsstätte wie einem Zentrums- oder Universitätsspital absolviert haben müssen. Zwei Jahre auf dem Fachgebiet in einem Schweizer Spital und ein Jahr in einem Schweizer Grundversorgerspital hielt die grosse Kammer für ungenügend.

Der Bundesrat hatte eine möglichst EU-verträgliche Lösung vorgeschlagen. Demnach hätten Ärzte in einer Prüfung nur belegen müssen, dass sie das schweizerische Gesundheitssystem genügend kennen, um gute Arbeit leisten zu können. Eine dreijährige Arbeit in einem Schweizer Spital hätte sie von der Prüfung befreit.

Hohe Ärztedichte

Die Schweiz hat eine der höchsten Ärztedichten unter den OECD-Staaten. Die Kosten zulasten der obligatorischen Krankenpflegeversicherung im ambulanten Bereich haben seit Inkrafttreten des KVG 1996 ständig zugenommen und zum Prämienanstieg beigetragen. Bund und Kantone haben 2016 über 4.3 Milliarden Franken für Prämienverbilligungen aufgewendet. Ein Viertel aller Versicherten profitierte davon.

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