- Post und SBB lancieren die «Swiss ID». Die digitale Identitätskarte ist eine Weiterentwicklung der «Suisse ID», die vor sieben Jahren auf den Markt kam und sich nicht etablieren konnte. Die «Suisse ID» wird mittelfristig in «Swiss ID» aufgehen.
- «Swiss ID» könnte erfolgreich sein, weil Post und SBB zusammen über 4 Millionen Kunden und somit potenzielle Anwender haben.
- Ab Herbst 2017 werden die Benutzer «Swiss ID» als Login auf den Internet-Diensten der Post benutzen können. Logins der SBB («Swisspass») werden ab 2018 folgen.
- Die «Swiss ID» könnte in Zukunft auch für E-Government und elektronische Abstimmungen eingesetzt werden oder um Verträge digital zu unterschreiben.
- Ob die «Swiss ID» zum einzigen Pendant des analogen Passes wird, ist offen. Dass die Schweiz endlich ein überall gültiges digitales Zertifizierungsmittel braucht, ist unter Experten aber unbestritten.
Ein einziges sicheres Login für alle
Mit der «Swiss ID» soll eine landesweit einheitliche digitale Identität geschaffen werden. Vor sieben Jahren kam bereits die «Suisse ID» auf den Markt, konnte sich aber nicht etablieren. «Mit rund 30'000 verteilten ID konnte sich diese Karte nie richtig durchsetzen – auch wegen des Preises». Für Private koste die «Suisse ID» 147 Franken, um sie drei Jahre lang nutzen zu können, sagt Marcel Dobler im Gespräch mit SRF Digital. Dobler ist Gründer von Digitec und Präsident von ICT Switzerland , dem Dachverband der schweizerischen Informatik- und Telekomfirmen. Zudem ist er Verwaltungsratsmitglied von Swiss Sign, einem Gemeinschaftsunternehmen von der SBB und der Post, das als Schweizer Trusted Service Provider (TSP) die «Swiss ID» herausgibt.
Das neue Projekt «Swiss ID» scheint dagegen eine bessere Ausgangslage zu haben: Post und SBB haben zusammen zwischen 4 bis 5 Millionen potenzielle Kunden und die neue Karte wird kostenlos sein.
Und Post und SBB bieten die schweizweite einheitliche digitale Identität ab sofort auch anderen Unternehmen und Behörden an. Mit dem Ziel, dass die Benutzer in Zukunft mit einem einzigen sicheren Login auf all die verschiedenen Online-Dienste zugreifen können.
Identifikation muss Sache des Bundes bleiben
Für André Golliez, Präsident der Swiss Data Alliance , liegt der Erfolgsschlüssel eines solchen Angebotes aber nicht in erster Linie an der Grösse der Kundenbasis. «Am wichtigsten ist das Vertrauen in einen solchen Identitätsnachweis. Das ist die Grundbedingung, dass er angenommen wird».
Deshalb müsse die Identifikation hoheitlich durch den Bund geschehen. Man könne einen solchen Dienst nicht an ein Unternehmen auslagern – und sei es auch noch so staatsnah wie die Post oder die SBB.
Dass der Bund auch beim neuen Versuch die Finger aus dem Spiel lässt, versteht André Golliez deshalb nicht: «Der Bund benimmt sich ein bisschen wie das Häschen vor der Schlange». Er nehme zwar wahr, wie Internetgiganten wie Amazon oder Google mit den Internet-Technologien erfolgreich jonglierten. Selber scheine der Bund aber einen Minderwertigkeitskomplex zu haben und zu glauben, dass er das gleiche nie schaffen werde.
Dabei hätte der Staat eine einfache Ausgangslage: «Alle Daten, die es zum staatlichen Identitätsnachweis braucht, besitzt er bereits.» Es sind die Daten der zentralen Personen-, Ausweis-, und Einwohnerregister. Diese staatlich geprüften Daten müsste man nur noch für den Identitätsnachweis erschliessen – und fertig sei die digitale Identitätskarte des Bundes. Das sei technisch keine grosse Herausforderung, so Golliez.
Bund ist zu wenig nah am Markt
Anders sieht das Marcel Dobler. Gerade bei so etwas Komplexem wie der digitalen Identität sei es wichtig, flexibel und möglichst nah am Markt zu sein – bei den Firmen. «Dafür eignet sich eine staatliche Lösung nicht so gut.»
Der Bundesrat sieht dies derzeit auch so und hat deshalb ein « E-ID-Gesetz » in die Vernehmlassung geschickt: Der Staat soll zwar die Kriterien definieren, die eine digitale ID erfüllen muss – die Umsetzung liegt dann aber bei der Wirtschaft.
Für Marcel Dobler ist das die beste Lösung: «Unsere Pässe druckt ja auch nicht der Staat – er gibt den Auftrag an eine Firma weiter.» Genau gleich wünscht es sich Dobler bei der elektronischen Identität.
Hauptsache schnell und ohne Anbieter-Wirrwarr
Falls sich in Zukunft nur ein einziger lizenzierter Anbieter herauskristallisieren sollte, könnte Dobler gut damit leben. Die beste Lösung ist seiner Meinung nach ein Konsortium, das eine digitale Identität schafft, die überall funktioniert.
Ein einziger Anbieter, kontrolliert vom Staat – die Vision ist gar nicht so weit entfernt von André Golliez' Forderungen nach einer hoheitlichen Herausgabe der digitalen Identitäten.
Doch wichtig sei in der Diskussion vor allem, dass diese digitale Identität endlich Realität werde. «Die Schweiz braucht die elektronische Identität – lieber gestern als heute», meint Marcel Dobler. Und André Golliez ergänzt, dass dieses «gestern» mit seinen Forderungen sehr schnell Realität werden könnte: «Ein register-basierter staatlicher Identitätsnachweis wäre innerhalb von eineinhalb bis zwei Jahren machbar – mit allem drum und dran.»
Aktualisiert am 31.5.2017: Das Engagement von Marcel Dobler als Verwaltungsratsmitglied bei «Swiss Sign» hinzugefügt.