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Migrosbank will keine Kunden mit Beistand
Aus Espresso vom 04.04.2018. Bild: Keystone
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«Diskriminierung!» Migrosbank will keine Kunden mit Beistand

Das Wichtigste in Kürze

  • Personen mit Erwachsenenschutzmassnahmen – davon gibt es immerhin rund 90'000 in der Schweiz – können bei der Migrosbank kein Konto eröffnen. Die Bank begründet dies mit den gesetzlichen Vorgaben, die sie diesbezüglich zu stark einschränken würden.
  • Bei vielen anderen Banken hätte dieselbe Frau hingegen problemlos ein Konto eröffnen können – umso mehr als die Beiständin am Schalter mit dabei war.
  • Die Vereinigung Cerebral Schweiz fordert, die Migrosbank müsse über die Bücher gehen.
  • Kritik kommt auch von Rechtsexperten: Diese sind der Ansicht, die Migrosbank sei mit ihrer juristischen Argumentation auf dem Holzweg.

Die 65-jährige Frau war zuerst sprachlos, als man ihr am Schalter der Migrosbank sagte, sie dürfe kein Konto eröffnen: «Das ist diskriminierend», sagt sie im SRF-Konsumentenmagazin «Espresso». Ihre Beiständin spricht gar von einem «Skandal».

Die Migros ist ihr bevorzugter Laden

In der Tat ist es schwer nachvollziehbar, weshalb dies nicht möglich sein sollte: Die Frau lebt seit einigen Monaten nicht mehr in einem Heim, sondern erstmals in ihrer eigenen Wohnung, sie geht einkaufen und auf Reisen. Eingeschränkt ist sie aber bei Bewegungen der rechten Körperhälfte. Sie kann ihre rechte Hand kaum bewegen und hat Mühe mit dem Gehen. Sauerstoffmangel bei der Geburt hatte Hirnschäden verursacht. Deshalb ist sie froh, dass sie zum Einkaufen nicht so weit gehen muss: In der Nähe ihrer Wohnung gibt es eine Migros-Filiale.

Sehr angenehm wäre es nun für sie gewesen, wenn sie dort auch hätte Geld abheben können, sagt sie. Dafür braucht es aber eine Kontokarte der Migrosbank. Die Frau wollte deshalb zusammen mit ihrer Beiständin dort ein Haushaltskonto eröffnen.

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Harte Migrosbank – Hörer sind empört
aus Espresso vom 05.04.2018. Bild: Keystone
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«Weitgehend eingeschränkt»

Die Krux bei der Sache ist nun, dass die Frau eine Beiständin hat. Diese hilft ihr unter anderem bei Büroarbeiten und grösseren Geldangelegenheiten. Denn dabei ist sie schnell überfordert – auch dies eine Auswirkung ihrer Behinderung. Für die Migrosbank ist dies zu heikel: «Sehr weitgehende, gesetzliche Regelungen schränken unser Angebot für Personen mit Erwachsenenschutzmassnahmen ein», schreibt die Bank gegenüber «Espresso».

Sie beruft sich auf eine Reihe von Paragrafen aus dem Zivilgesetzbuch, dem Bankengesetz und der «Verordnung über die Vermögensverwaltung im Rahmen einer Beistandschaft oder Vormundschaft» (VBVV). Dabei sei unter anderem vorgeschrieben, dass Guthaben ab 100'000 Franken regelmässig eine Staatsgarantie erforderten. Das hiesse, man müsse die betreffenden Konti permanent überwachen. Im Fall der 65-jährigen, leicht behinderten Frau wäre das aber wohl nie der Fall gewesen. Sie hätte lediglich ein Haushaltskonto gebraucht.

Verordnung betrifft nicht die Bank, sondern die Beistände.
Autor: Christiana Fountoulakis Erwachsenenschutzrechtlerin

Rechtsexperten sind überzeugt, dass die Bank mit dieser Argumentation auf dem Holzweg ist. «Die betreffende Verordnung bindet nur den Beistand, die Bank ist nicht tangiert. Es liegt in der Sorgfaltspflicht des Beistands, die Bestimmungen einzuhalten, sagt Erwachsenenschutzrechtlerin Christiana Fountoulakis. Die Migrosbank hätte also ihrer Ansicht nach problemlos für jene Frau ein Konto eröffnen können.

Gleicher Meinung ist Sozialrechtsexperte Ueli Kieser. Auch er kann die Haltung der Bank nicht nachvollziehen. Schliesslich sei sie durch ihre Konzession dazu verpflichtet, das Bankgeschäft zu führen und dürfe auch Leute mit einem Beistand nicht einfach ausschliessen: «Das widerspricht der Idee der Konzession völlig.»

Alle anderen angefragten Banken sagen: «Kein Problem»

«Espresso» wollte von anderen Banken wissen, wie sie das handhaben. Bei UBS, Crédit Suisse, Raiffeisen, Postfinance und der Zürcher Kantonalbank heisst es unisono: Es wäre für die betroffene Frau kein Problem gewesen, bei ihnen ein Konto zu eröffnen. Dem Vernehmen nach ist das Thema auch innerhalb der Migrosbank nicht unumstritten.

Und deshalb fordert Konrad Stokar von der Vereinigung Cerebral Schweiz, die Verantwortlichen der Migrosbank müssten nun über die Bücher: «Behinderte Menschen mit einem Beistand sind Kunden wie alle anderen auch.»

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