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Dörrbirnen aus Graubünden Die letzten Birnendörrer von Mastrils

Sie sind wohl die letzten ihrer Zunft: In Mastrils GR dörrt ein Ehepaar Birnen wie einst – mit Herz und Hand.

Im Schopf von Judith und Albert Nigg in Mastrils GR riecht es nach Herbst, Holz, Rauch und süsslich-warmen Birnen. Wer die steile Holztreppe hinaufsteigt, taucht in eine andere Zeit ein. Zwei Dörröfen stehen dort. Es sind die letzten im Dorf.

Einst rauchten hier fast 40 Öfen, heute sind es nur noch diese beiden. Albert Nigg erinnert sich: «Wenn ich in den 1950er-Jahren vom Bahnhof nach Hause lief, sah ich im Herbst überall Rauch steigen. Es war der Rauch der Dörröfen.»

Das Birnendörren war ein Nebenerwerb, um die Familie über Wasser zu halten.
Autor: Albert Nigg Birnendörrer in Mastrils GR

Vor dreissig Jahren begann das Ehepaar Nigg, das Handwerk ihrer Grosseltern wiederzubeleben. Zu deren Zeiten war Dörren in Mastrils mehr als Tradition. Albert Nigg erinnert sich: «Es war Überlebensstrategie. Wie die Stickerei im Rheintal war das Birnendörren ein Nebenerwerb, um die Familie über Wasser zu halten.»

Über 200 Birnbäume standen einst im Dorf, tonnenweise Früchte wurden aus der Umgebung geliefert, sogar mit Pferdegespannen aus dem Prättigau. Für die Leute in Mastrils waren die Dörrbirnen eine Möglichkeit, Früchte bis in den Frühling hinein zu geniessen.

Alter gemauerter Ofen mit geöffneten Metalltüren.
Legende: Bei Judith und Albert Nigg stehen die letzten beiden Dörröfen von Mastrils – einst rauchten hier fast 40. SRF/MARC MELCHER

Das Dörren war lange eine der wenigen Optionen, um Lebensmittel haltbar zu machen. Die gedörrten Birnen waren aber nicht nur Nahrung, sie galten auch als Heilmittel. Albert Nigg erzählt von den alten Kuren: Birnen in Wein eingelegt, täglich eine mehr, dann wieder weniger, und «wenn man dem Nachbarn – selig – glauben darf, waren die Blutwerte wieder tipptopp».

Die Birnen verzeihen nichts.
Autor: Judith Nigg Birnendörrerin in Matrils GR

Heute dörren Judith und Albert Nigg jeden Herbst mehrere hundert Kilo. «Einfach ist das nicht», sagt Judith Nigg. Die Temperatur muss stimmen, das Timing auch. Immer wieder kontrolliert Judith Nigg die Birnen, nimmt sie heraus, legt sie zurück, bis jede passt.

«Die Birnen verzeihen nichts», sagt sie. Am Ende sollten sie nur noch ein Viertel ihrer ursprünglichen Flüssigkeit haben, sonst drohe Schimmel. Erfahrung und Gefühl seien entscheidend – und Ruhe. «Ich mag nicht einmal, wenn das Radio läuft.»

Viele Jahre war das «Birnendörren» neben dem Berufsalltag für die beiden ein Hobby. Dafür sind sie von ihrem Wohnort in Bad Ragaz oft nach Mastrils gefahren. Seit der Pensionierung haben sie mehr Zeit und geniessen diese Arbeit umso mehr.

Nahaufnahme von getrockneten Feigen auf einem Gitter.
Legende: Jeden Herbst dörrt das Ehepaar Nigg mehrere hundert Kilo Birnen. SRF/MARC MELCHER

Sie dörren eine ganz besondere Birnensorte: die Herbstlängler. Diese Birne wächst nur in Mastrils, ist teuer, roh ungeniessbar und lässt sich nicht lagern. Aber gedörrt entfalte sie ihr volles Aroma und finde ihre Liebhaber, so Albert Nigg. Bäckereien setzen sie gerne fürs Birnenbrot ein, Privatpersonen geniessen sie pur.

Was einst Alltag war, ist heute fast vergessen. Doch in Mastrils lebt das Handwerk weiter – dank Judith und Albert Nigg, die mit Erfahrung, Geduld und Hingabe dörren.

Regionaljournal Graudünen, 22.9.2025, 17:30 Uhr ; 

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