Rupperswil sei ein Dorf, wo man sich noch kenne und auf der Strasse grüsse, steht auf der Homepage der Gemeinde. «Froh wämmer singe, s’isch schön z’Robischwil. Im Friede do läbe, das isch euses Ziel», heisst es im Dorflied. Doch diesen Frieden spüren längst nicht alle.
Gemeinderat Erich Hediger zum Beispiel vermisst die im Rupperswiler Dorflied besungene Eintracht. Kürzlich gab er bekannt, dass er bei den Gemeinderatswahlen im Oktober nicht mehr antreten werde – obwohl er zuvor noch Ambitionen auf das Amt des Vizeammanns angemeldet hatte.
Der Ton in der Politik habe sich zuletzt deutlich verschärft, erzählt Hediger. Es habe verbale Angriffe gegen den Gemeinderat gegeben. «Mich stimmt nachdenklich, dass immer wieder gegen ein Gremium geschossen wird.» Als SVP-Politiker befürworte er hart geführte Diskussionen und es dürften auch einmal die Fetzen fliegen. Es müsse dabei aber immer um die Sache gehen.
Dem Gemeinderat von Rupperswil war an einer Gemeindeversammlung vorgeworfen worden, er sei inkompetent und führungsschwach. Erich Hediger sass als Teil des Gremiums auf der Bühne. Zuerst habe er sich gegen die Beschimpfungen aus dem Raum wehren wollen, habe es aber nicht getan. Trotzdem hat er die Konsequenzen gezogen und zieht sich nach acht Jahren im Gemeinderat aus der Kommunalpolitik zurück.
Rupperswil ist kein Einzelfall: Auch der Gemeindeammann von Killwangen hat genug. Er – ebenfalls SVP-Politiker – sprach in der Lokalzeitung «Limmatwelle» von Drohungen und Demütigungen. Die stetigen Angriffe seien keine konstruktive Kritik mehr gewesen, sondern sollten ihn persönlich demütigen.
Dass Gemeindepolitikerinnen und -politiker mit Anfeindungen konfrontiert sind, verwundert Christoph Niederberger, Direktor des Schweizerischen Gemeindeverbandes, nicht. Schliesslich hätten politische Entscheide in den Gemeinden oft direkte Auswirkungen auf das Leben der Bevölkerung. «Das verursacht, dass die Nerven der Betroffenen oft blank liegen. Und daraus ergeben sich Situationen, die zu Anfeindungen und Beschimpfungen führen können.»
Politische Polarisierung wächst
Hitzig werde es oft, wenn es um die Sozialhilfe, neue Bauten oder die Integration von Ausländern gehe. Diese Themen hätten auch in der Vergangenheit zu heftigen Auseinandersetzungen geführt. Verschärfend hinzu komme die Polarisierung in der Politik heutzutage. «Es gibt heute viele Leute, die alles besser wissen», sagt Niederberger. Entsprechend müsse es nach ihren Vorstellungen laufen.
Die Leute in der Lokalpolitik sind heute oft auf sich selbst gestellt.
Politologe Andreas Ladner von der Universität Lausanne nennt als einen weiteren Faktor, die zunehmende fehlende Unterstützung von Parteien. «Die Lokalpolitikerinnen und -politiker werden heute viel weniger getragen von Lokalparteien, sie sind oft auf sich selbst gestellt.» Zudem gebe es allgemein immer weniger Lokalparteien, so Ladner.
Wie viele Politikerinnen und Politiker aufgrund von Anfeindungen und Drohungen in der Schweiz aus ihrem Amt zurücktreten, lässt sich allerdings nicht sagen. Es existieren weder Statistiken noch Studien. Meist sind es einzelne Personen, die sich über die Gründe ihres Rücktritts äussern – so wie Erich Hediger aus Rupperswil, der sich aus der Lokalpolitik verabschiedet. Ob nun seine Kritiker in den Gemeinderat folgen? «Ich denke eher nicht. Aber Platz dazu habe ich gemacht.»