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Ecopop-Initiative Warum kommt Ecopop in Online-Kommentaren so gut weg?

Wer sich in diesen Tagen durch die Leserkommentare in den Online-Medien klickt, liest fast nur Zustimmendes zur Ecopop-Initiative. Wie ist das zu erklären und wo lauern die Gefahren bei diesem Phänomen? Laut Experten sind Unentschlossene wie auch Medienschaffende besonders gefährdet.

Gemäss Umfragen haben die Gegner der Ende Monat zu Abstimmung kommenden Ecopop-Initiative die Nase vorn. In den Online-Portalen dagegen besitzen mit ihren Leserkommentaren eindeutig die Befürworter die Lufthoheit. Dies zeigt sich bei srf.ch ebenso wie bei 20minuten.ch, tagesanzeiger.ch oder blick.ch.

Der Ton ist rau. Ein Beispiel: «Ja zu Ecopop, und dann das Geld von unserem Land mal für die Menschen von unserem Land einsetzen.»

Ein Verdacht

Etwa neun von zehn Lesern äusserten sich positiv gegenüber der Initiative, schätzt bei «20 Minuten» Laura Hüttenmoser als zuständige Ressort-Leiterin. Der Verdacht, dass organisierte Vielschreiber unter wechselnden Decknamen am Werk sind, sei aufgetaucht. Man überlege sich, der Sache nachzugehen und die IP-Adressen genauer anzuschauen. Leider sei das aber nicht so einfach, weil die meisten Kommentare per Smartphone hereinkämen und alle vom Swisscom-Netz mit einer IP-Adresse, bemerkt Hüttenmoser.

Schreibender Mensch am Computer.
Legende: Wenn fast alle Kommentare in die gleiche Richtung laufen, ist das nicht zwingend die Mehrheitsmeinung. Keystone

Ohnehin dürfte das Online-Klima pro Ecopop nicht allein das Resultat von Manipulation sein: Online-Kommentatoren ticken nämlich generell eher rechts, wie Medienwissenschaftler Thomas Friemel herausfand.

Er hatte vor zwei Jahren fast 5000 Kommentarschreiber auf Schweizer Online-Portalen befragt: «Die Kommentarschreiber stehen etwas weiter rechts als jene, die sie lesen.» Drei Viertel der Befragten waren Männer im Alter von 35 bis 50 Jahren.

Die einen poltern weiter, die anderen resignieren?

Was bei Ecopop geschehe, sei typisch für Online-Diskussionen über Ausländerthemen, erklärt der heute an der Universität Bremen lehrende Friemel. Er spricht von einer Spirale, wo gewisse Leute weiter in die Kerbe hauen, während andere sich vielleicht etwas zurückziehen in der Ansicht, dass nichts mehr zu gewinnen ist.

«Kehren wir zurück zu unseren Werten und stoppen wir die Überflutung endlich. Wir haben keinen Platz mehr.» So lautet ein weiterer Online-Kommentar. Doch sind die rechten Platzhirsche auch die Meinungsmacher und können sie Menschen umstimmen?

Eher nicht, sagt Heinz Bonfadelli von der Universität Zürich. Laut dem Experten für Medien-Wirkungsforschung lesen die Menschen vor allem das, was ihre eigene Meinung bestätigt.

Unentschlossene allerdings können laut Bonfadelli bei gehäuft auftretenden Kommentaren etwa zugunsten von Ecopop zum Schluss kommen, es handle sich um eine Mehrheitsmeinung.

Steter Tropfen höhlt den Stein

Vermeintliche Mehrheitsmeinungen üben aber nicht nur auf Unentschlossene, sondern auch auf Medienschaffende einen Sog aus. Das «Online-Meinungsklima pro Ecopop» beeinflusse die Medien-Berichterstattung, bestätigt Lukas Golder – Politologe und Meinungsforscher beim Institut gfs.bern: «Wenn sich diese Eindrücke bei Journalisten festsetzen, sind sie geneigt, die Forderungen etwas weniger extrem darzustellen. Dies ist eine klare Absicht, wenn Leute auf den Sozialen Medien Kommentare abgeben.»

Initianten winken ab

Die Ecopop-Initianten organisieren nach eigenen Angaben keine derartige Kommentar-Kampagne. Ob orchestriert oder nicht: Es hat einen Einfluss auf Unentschlossene und Medien, wenn Kommentarschreiber derart einseitig in die Tasten greifen.

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